Studium:Deutschen Unis fehlt Geld

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Hörsaal der Humboldt-Universität Berlin (Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • Der Stifterverband stellt das neue Hochschulbarometer vor.
  • Demnach sehen die Rektoren für ihre Unis eine Finanzierungslücke von 26 Milliarden Euro.
  • Bei der Bewertung der Rahmenbedingungen spielt es auch eine Rolle, in welchem Bundesland sich eine Hochschule befindet.

Von Kim Björn Becker, München

Die Stuhlreihen im Hörsaal sind morsch, die Seminarräume heruntergekommen und im Labor fehlt es überall an Instrumenten - so oder so ähnlich dürfte es um die Ausstattung vieler deutscher Hochschulen bestellt sein, wenn man die Rektoren nach der Infrastruktur ihrer Häuser fragt. Sie beklagen eine Finanzierungslücke von derzeit 26 Milliarden Euro, um damit Gebäude zu sanieren, Bibliotheken zu bestücken sowie Computer und Forschungsmaterial zu beschaffen. Das geht aus dem jüngsten Hochschulbarometer des Stifterverbands hervor, das an diesem Mittwoch vorgestellt wird. Der Süddeutschen Zeitung lag die Studie bereits vor.

Umgerechnet auf jeden in Deutschland eingeschriebenen Studenten macht das ein Minus von 9263 Euro. Das sei "eine unglaubliche Summe", sagt Pascal Hetze vom Stifterverband. Fachhochschulen (FHs) stehen dabei besser da als Universitäten, private Hochschulen deutlich besser als staatliche. Vor allem bei technischen Hochschulen fehlt es an Geld für die Infrastruktur, dort beträgt das Defizit fast 11 000 Euro pro Student. Derzeit würden alle Hochschulen im Durchschnitt etwa vier Milliarden Euro jährlich für Investitionen in die Infrastruktur ausgeben. "Es würde also mindestens sechs Jahre brauchen, um allein das Defizit auszugleichen", sagt Hetze. Laufend anfallende Kosten seien dabei noch nicht berücksichtigt.

SZ-Grafik; Quelle: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (Foto: sz-grafik)

Dies dämpft die Stimmung der deutschen Hochschul-Chefs allerdings nicht wesentlich. Auf einer Skala, die von -100 (sehr negativ) bis +100 (sehr positiv) reicht, geben die Hochschuldirektoren insgesamt ihre Stimmung mit einem Wert von +22,9 an, das ist etwas schlechter als im vergangenen Jahr (+23,8). Private Hochschulen schnitten hierbei erneut deutlich besser ab als staatliche, die Präsidenten und Rektoren privater Universitäten bewerteten die derzeitige Stimmung im Schnitt mit +53,4 Punkten, private FHs kamen auf +28,7. Sogenannte Elite-Universitäten rangierten mit +19,5 Punkten schon spürbar unter dem Bundesdurchschnitt, staatliche Unis und FHs mit weniger als 10 000 Studenten landeten auf den letzten Plätzen. Um die Werte zu ermitteln, haben die Autoren der Studie die Leiter von 395 Hochschulen befragt, rund die Hälfte habe geantwortet.

Auffallend ist, dass die staatlichen Hochschulen der Politik der vergangenen fünf Jahre kein besonders gutes Zeugnis ausstellen. Knapp 30 Prozent der Rektoren gaben an, dass sich die Finanzierung ihrer Einrichtung in diesem Zeitpunkt verschlechtert habe. Bei der Personalausstattung registrierten mehr als 40 Prozent Verschlechterungen.

Pascal Hetze interpretiert diese Werte als Reaktion der Chefs darauf, dass sich die Hochschulen sukzessive weniger durch die Länder als durch Drittmittel vom Bund und privaten Geldgebern finanzierten. Die Bedeutung von Sonderprogrammen nehme eindeutig zu, sagt er. Zugleich sei die Bewertung der zukünftigen Finanz- und Personalsituation inzwischen wieder deutlich besser als noch vor drei Jahren. Damals äußerten sich die Rektoren und Präsidenten doch noch sehr viel pessimistischer, was die zukünftigen Finanzen und Personalzahlen angeht.

Hessens Rektoren sind am zufriedensten

Bei der Bewertung der Rahmenbedingungen spielt es auch eine Rolle, in welchem Bundesland sich eine Hochschule befindet. In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Bedingungen lediglich aus der Sicht der hessischen Leiter verbessert. "Eine scharf geführte Debatte um die politische Autonomie der Hochschulen, wie es sie in Nordrhein-Westfalen gab, blieb in Hessen aus", sagt Pascal Hetze. Das könne die gute Stimmung der hessischen Rektoren erklären - und auch, warum ihre Kollegen in NRW im selben Zeitraum eher Verschlechterungen wahrnahmen. Ähnlich geht es Hochschulen in Thüringen, Berlin und Brandenburg. In den anderen Ländern gab es keine Veränderungen, oder eine Analyse im Zeitverlauf war aufgrund fehlender Daten nicht möglich.

Zugleich ist derzeit nur etwas mehr als jede fünfte Hochschulleitung der Meinung, dass die deutschen Unis im Ausland ausreichend wahrgenommen werden. Fast die Hälfte der Rektoren und Präsidenten glaubt, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Bildungseinrichtungen in den nächsten Jahren verbessert - mit Verschlechterungen rechnen indes nur zehn Prozent. "Deutschland hat eine hohe Qualität in der Breite", sagt Pascal Hetze. Aber Leuchtturm-Unis wie es etwa Oxford und Cambridge für England sind, gebe es in dieser Form nicht. Das könne die vergleichsweise geringe Wahrnehmung des Hochschulstandorts Deutschland im Ausland erklären.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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