Studiengänge und Unternehmen:Wer zahlt, bestimmt?

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Einen imposanten Eindruck hinterlässt die Hamburger Hafencity-Universität im Stadtbild - doch die Hochschule plagt eine Finanzmisere. (Foto: Christian Charisius/dpa)
  • An der Hamburger Hafencity Universität (HCU) entsteht der neue Studiengang "Real Estate and Leadership" - finanziert von Unternehmen der Immobilienbranche.
  • Kritiker befürchten, dass die beteiligten Firmen Einfluss auf die Uni nehmen könnten.
  • HCU-Präsident Walter Pelka sagt: "Diese Unternehmen haben sehr unterschiedliche Interessen, das balanciert sich aus."

Von Hannah Beitzer, Hamburg

Das "Who is Who" der Immobilienwirtschaft engagiert sich für Forschung und Bildung: Mit diesen Worten freut sich die staatliche Hafencity Universität (HCU) in Hamburg über einen neuen Master-Studiengang, den sie zum Wintersemester einführen will. "Real Estate and Leadership" wird komplett bezahlt von Unternehmen der Immobilienbranche. Das aber freut nicht jeden - es regt sich Protest.

Marco Hosemann zum Beispiel studiert an der HCU das Fach Urban Design. Er ist gegen die Einführung des privatwirtschaftlich finanzierten Studiengangs: "Das ist nicht mein Verständnis von Bildung." Er befürchtet wie einige seiner Kommilitonen, dass die Unternehmen zu großen Einfluss auf die Uni nehmen könnten. Auch der Asta hat sich im Januar kritisch zur Einführung des Studiengangs geäußert, der Plan "widerspricht der Freiheit von Forschung und Lehre".

Der Protest wird hauptsächlich von bisher nicht organisierten Studenten vorangetrieben. Wie Maria Arndt, die in Wahrheit anders heißt. Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich machen, weil sie an der HCU auch einen Job hat. Sie hat Dutzende E-Mails gesammelt, in denen Studenten über die Verhältnisse an der Hochschule klagen.

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Dass Universitäten Geld von Firmen bekommen, ist zunächst nicht ungewöhnlich. Gut 30 Prozent des Geldes an deutschen Hochschulen sind Drittmittel, die zusätzlich zum regulären Etat bereitstehen. Diese Mittel stammen auch vom Staat, zum Beispiel über Wettbewerbe, ein Fünftel davon kommt aus der Wirtschaft. Kritik daran gibt es oft, vor allem stellt sich die Frage: Wo liegt die Grenze, wie dürfen Geldgeber mitreden, wenn es um Inhalte geht? Der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann beklagte kürzlich in der Zeit den wachsenden Einfluss von Firmen: "Wer Geld aus der Wirtschaft einwerben will, muss sich an deren Interessen orientieren." Bei der Hochschulrektorenkonferenz heißt es dagegen: Solange Hochschulen in Personalentscheidungen und Publikationsverfahren das letzte Wort haben, sei gegen eine Kooperation nichts einzuwenden.

Zwischen diesen beiden Polen spielt sich die Diskussion an der Hafencity-Uni ab. Die kleine Sparten-Universität ist 2006 aus einer Zusammenlegung der Fachbereiche anderer Hamburger Hochschulen entstanden. 2010 stand sie kurz vor der Pleite. Seitdem heißt es: sparen. Erst kürzlich zog die HCU vor das Bundesverfassungsgericht, um zu verhindern, dass sich Studenten einklagen können. Geld für neue Studiengänge ist eigentlich keines da. "Vor einigen Jahren sind dann Studentenvertreter auf mich zugekommen, die sich die Einführung eines Immobilienstudiengangs gewünscht haben", sagt Uni-Präsident Walter Pelka. Auch im Gründungsgesetz der HCU sei ein solcher Studiengang vereinbart. So blieb Pelka nur die Möglichkeit, auf die Unternehmen zuzugehen, die von den Absolventen profitieren.

Bedenken hält der Präsident für unbegründet. Man habe sich gegen Modelle entschieden, die eine Abhängigkeit von einer einzelnen Firma bedeuten könnten - wie zum Beispiel bei einer Stiftungsprofessur. Die Finanzierung erfolgt über einen Verein mit ungefähr 30 Mitgliedern, darunter große Bauunternehmen wie auch kleine Makler. "Diese Unternehmen haben sehr unterschiedliche Interessen, das balanciert sich aus", sagt Pelka.

Und kein Mitglied solle mehr als 50 000 Euro im Jahr zahlen. Studenten legen jedoch die Satzung des Fördervereins vor. Je nach Höhe des Investments werden den Firmen dort Studienpatenschaften, Gastvorträge, Semesterprojekte und bei Eignung auch Lehraufträge angeboten. Das klingt eher nach der Devise: Wer zahlt, bestimmt. Oder hat zumindest viel Einfluss.

fzs tadelt Drittmittel-Trend

Arndt und Hosemann befürchten, dass sich das Gewicht an der HCU zugunsten von Studiengängen verschieben könnte, die für die Wirtschaft interessant sind und auf Unterstützung von außen hoffen dürfen. So hatte neulich der bundesweite studentische Dachverband fzs argumentiert, der den Drittmittel-Trend tadelt: "Hochschulen werden immer weiter zu Produzenten von Arbeitskräften degradiert. Ein Studium kann in keinem Fall nur die Interessen eines bestimmten Unternehmens bedienen. Die Drittmittel führen aber genau dazu." Pelka hingegen betont, dass allein ein geschlossener Kooperationsvertrag zwischen Uni und Verein maßgeblich sei - nicht die Satzung des Vereins. Die Berufung der Professoren erfolge nach dem Hamburger Hochschulgesetz, unabhängig vom Finanzier.

Damit hat Pelka offenbar einige Kritiker überzeugt, der Asta zum Beispiel ist heute zurückhaltender als im Januar.

Die Kritiker verstehen aber nicht, warum überhaupt ein neuer Studiengang entsteht. "Wir haben jetzt schon ein Platzproblem, Professoren werden wegrationalisiert", so Arndt. Pelka hält dagegen, dass "Real Estate and Leadership" mit 30 Studenten pro Jahr ohnehin nicht groß sein werde. Eine Lösung für die Finanzmisere der Uni kennen die Studenten natürlich auch nicht. Ihnen wäre es aber lieber, Pelka würde weiterhin beim Staat um Geld bitten - anstatt beim "Who is Who" der Immobilienbranche.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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