Stapelweise iPads in Lederhüllen, große Kopfhörer auf den Tischen, ein riesiges Whiteboard an der Wand - denkt man sich die pinken und blauen Schulranzen auf dem Linoleum-Boden weg, man könnte in einem Berliner Start-up stehen. "Frau Gemein, ist mein iPad endlich aufgeladen?", fragt Miray, als sie nach der großen Pause reinkommt. Ist es, und Klassenlehrerin Ulrike Gemein kann mit dem Unterricht in der 1c, einer der deutschlandweit ersten Tablet-Klassen, beginnen.
Zuerst öffnet jeder der 21 Schüler die App "Kahoot" auf seinem Tablet, gibt den Code ein, der auf dem Whiteboard steht, und wählt sich ins virtuelle Klassenzimmer ein. Als auf der digitalen Tafel alle Namen erschienen sind, können die Schüler loslegen. Miray und die anderen Kinder müssen einem Bild aus vier Antwortmöglichkeiten die richtige Bezeichnung zuordnen. Sobald alle Schüler eine Antwort eingegeben haben, wird die Lösung an der Tafel gezeigt - laute Freudenschreie von den Schnellsten, denn die listet das Whiteboard ebenfalls auf.
Freudenschreie gibt es angesichts der Tablet-Klasse vermutlich auch im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die internationale Vergleichsstudie ICILS hat 2013 gezeigt, dass Deutschlands Schulen in Bezug auf technische Ausstattung und digitales Lernen nur im Mittelfeld liegen. Das soll der Digitalpakt von Bundesministerin Johanna Wanka bis 2021 beenden. Sie will fünf Milliarden Euro in Breitbandverbindungen, Wlan und technische Geräte für 40 000 Schulen investieren. Damit sich das auszahlt, sollen die Bundesländer ihre Pädagogen im Gegenzug mit Weiterbildungen "fit für die Zukunft machen".
Das Tablet macht das Lernen kurzweiliger - und aufregender
Die 1c der Grundschule in Hennef, einer Kleinstadt bei Bonn, ist eine der ersten Grundschulklassen, in der alle Schüler vier Jahre lang mit einem personalisierten Tablet lernen. Seit Anfang des Jahres sind die neuen Tablets im Einsatz - nach langer Vorbereitung durch die Klassenlehrerin Gemein. Sie ist die Medienkoordinatorin der Schule und berät in Fortbildungen andere Grundschulen im Umgang mit digitalen Medien.
Für ihre Projektklasse konnte sie einen Schulbuchverlag als Sponsor gewinnen. Unterstützt wird die Klasse auch von der Stadt Hennef. Sie hat zwei Aufbewahrungsschränke mit Ladestation finanziert und die Kosten der technischen Anpassungen übernommen. In Hennef arbeiten die Pädagogen schon seit einigen Jahren mit digitalen Medien, in der ganzen Schule gibt es Wlan und Whiteboards, digitale Tafeln. Tablets gab es bisher aber nur in einem Pool von 31 Geräten für die ganze Schule. In der Tablet-Klasse hat nun jeder ein eigenes Gerät.
Von der Online-Plattform "Leseludi" sind Miray und Banknachbarin Karina besonders begeistert. Ihnen gefallen die bunten Animationen und die vielfältigen Aufgaben mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden. In einer Anwendung werden Bilder und Wörter miteinander verbunden. Für die Fortgeschrittenen gibt es Aufgaben, in denen sie die Silben eines Wortes zusammensetzen müssen. Im analogen Unterricht würden die Schüler die Abbildungen erst mit einer Schere ausschneiden und sortieren oder mit Buntstiften verbinden. Das Tablet erfindet das Lesenlernen nicht neu, macht es aber kurzweiliger - und irgendwie aufregender. Darauf lässt zumindest die Begeisterung von Miray und Karina schließen.