Schulen:Note 4+

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Schulen im Mangelmodus: Elf Prozent der Lehrerstellen können nicht besetzt werden. Auch Seiteneinsteiger füllen die Lücken nicht. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Bildungspolitik kommt in einer Umfrage bei Schulleitern schlecht weg. Jede zweite Schule leidet unter Lehrermangel, wobei Mint-Fächer besonders betroffen sind. Viele Rektoren fühlen sich alleingelassen.

Nein, es wird nicht nur kritisiert und geklagt an deutschen Schulen - trotz aller Probleme, die Grund dazu geben. Gut 80 Prozent aller Schulleiterinnen und Schulleiter sind der Ansicht, dass sie ihre Aufgaben zumeist zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können. Dabei üben knapp 60 Prozent ihren Beruf "sehr gern" und knapp 40 Prozent immerhin noch "eher gern" aus. Nur bei vier von 100 Schulleitern überwiegt der Frust.

Ist es purer Idealismus, der einen anerkannt schwierigen Beruf in solch positivem Licht erscheinen lässt? Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) glaubt eher an das sinnstiftende Moment: "Schulleiter arbeiten eng mit Schülern, Eltern und Lehrern, sie entwickeln ihre Schule, setzen neue Projekte um. Sie können viel gestalten, das gibt ihnen ein gutes Gefühl."

Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten aus der repräsentativen Befragung von 1232 Schulleitern, die der VBE am Freitag in Düsseldorf vorstellte. Als größtes Problem mit deutlichem Abstand zu allen übrigen Sorgen nennen die Befragten den Lehrermangel. Hatte im vorigen Jahr noch jede dritte Schule damit zu kämpfen, ist es nun schon jede zweite. Durchschnittlich elf Prozent der offenen Lehrerstellen können die Schulleiter nicht besetzen - wobei es die Grundschulen deutlich härter trifft (15 Prozent) als die weiterführenden Schulen (sieben Prozent). Trotzdem beschweren sich Haupt-, Real- und Gesamtschulleiter häufiger über dieses Problem als Grundschulleiter.

Beckmann erklärt das damit, dass an den weiterführenden Schulen schon seit vielen Jahren Lehrer für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik fehlen. "Das Problem der Mint-Fächer können die Schulen einfach nicht lösen, weil es unabhängig vom allgemeinen Lehrermangel existiert", sagt der VBE-Chef. Potenzielle Kandidaten gingen wegen der lukrativeren Gehälter eben eher in die freie Wirtschaft. An den Grundschulen komme es, weil sie weniger fachspezifisch sind, dagegen stärker auf die pädagogische Qualifikation an.

Unter Lehrermangel leidet jede zweite Schule. Mint-Fächer sind besonders betroffen

Die Herausforderung für Grundschulleiterinnen und -leiter wird dadurch aber nicht kleiner. Denn auch sie müssen vermehrt mit Seiteneinsteigern vorliebnehmen, damit nicht noch mehr Stellen unbesetzt bleiben. Laut Umfrage sind Seiteneinsteiger zurzeit an 45 Prozent aller Schulen beschäftigt. Da sie eher fachspezifische als pädagogische Qualifikationen mitbringen, können sie an weiterführenden Schulen eher Lücken füllen als an Grundschulen, wo ausgeprägte pädagogische Fähigkeiten absolut unverzichtbar sind. Seiteneinsteiger müssten demnach vor ihrem ersten Unterrichtseinsatz eine systematische, pädagogische Vorqualifizierung erhalten - ganz besonders, wenn sie an eine Grundschule kommen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Während im Gymnasialbereich jeder zweite Leiter angibt, dass seine Seiteneinsteiger pädagogisch vorqualifiziert sind, ist es bei den Grundschulen nur jeder fünfte. Erschwerend kommt hinzu, was andere Studien aufzeigen - dass Seiteneinsteiger besonders häufig an Brennpunktschulen eingesetzt werden. Fazit: Da, wo pädagogische Qualität am meisten gebraucht wird, fehlt sie am stärksten. "Da kann sich die Politik keinen schlanken Fuß machen und sagen, die stecken wir erst mal in die Klasse, und dann gucken wir", kritisiert Beckmann die Situation. Die Sicherstellung von Bildungsqualität sei eine politische Aufgabe.

Überhaupt, die Politik. Sie kommt in der Umfrage mit einer 4+ weg. Noch nicht versetzungsgefährdend, aber auch keine Note, die sich Bildungsminister ans Revers heften können. Nur zehn Prozent der Schulleiter fühlen sich durch ihren Minister unterstützt, der Rest kritisiert praxisferne Entscheidungen. Inklusion, Integration, minderwertige Gebäude, Zeitnot, respektlose Schüler, all das macht nach dem Lehrermangel den Schulen am meisten zu schaffen, hier wünschen sie sich mehr wirksame Hilfe.

Aber auch die Eltern könnten den schulischen Alltag erleichtern. Vor allem in Grundschulen zerren sie nach Auskunft der Schulleiter an den Nerven der Pädagogen. Udo Beckmann erklärt das mit dem Trend zum Einzelkind, auf das sich alles fokussiert. "Wir erleben immer mehr Eltern, die schon in der Grundschule ein späteres Abitur sicherstellen wollen. Dafür tun sie alles und streiten sich dann mit den Lehrern, wenn die an dem hohen Ziel ihre Zweifel hegen."

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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