Mathematik, Religion, Deutsch, Französisch - der Stundenplan der elften Klasse am Jenaplan-Gymnasium Nürnberg sieht an diesem Donnerstag aus wie immer. Trotz Corona. Aber wie der Unterricht abläuft, das hat sich wegen Corona grundlegend verändert. Nur eine Woche nach Beginn der Schulschließung am 16. März sind die 150 Schülerinnen und Schüler in ein virtuelles Schulhaus umgezogen. Seitdem sitzen alle zu Hause in ihren Zimmern, allein vorm Rechner, auch die Fünftklässler. Eltern als Hilfspädagogen sind nicht vorgesehen. Lehrer und Schüler bleiben unter sich, lösen Formeln, schreiben Texte, sprechen Englisch im Videochat.
Das Besondere daran: Bis das Schultor zufiel, war das private Gymnasium eine Schule wie Tausende andere auch. "Wir waren überhaupt nicht digital unterwegs", sagt Schulvorstand Bernd Beisse. Am ersten Tag verschickten die Lehrer genauso fleißig Arbeitsblätter wie im Rest der Republik, abends beschwerten sich schon die Eltern - das geht so nicht, wir haben zu tun, wir sind im Home-Office. Es waren zwei Schüler aus Klasse zehn und elf, die den Anstoß gaben. So kompliziert sei das digitale Homeschooling doch gar nicht, lasst es uns mit kostenlosen Lizenzen für ein Videokonferenzsystem versuchen.
23 Mitglieder der Schulgemeinschaft knieten sich in das Projekt hinein, sechs Tage später war es so weit: Sonntagabend waren alle Schüler im System. Und alle 30 Lehrerinnen und Lehrer, was definitiv erstaunlicher ist, denn jede zweite Lehrkraft musste zunächst von der Schule mit einem Rechner versorgt werden. Der Hauptaufwand in dieser Woche habe darin bestanden, den Druck von den Pädagogen zu nehmen, sagt Beisse. "Wir haben allen gesagt: Ihr müsst überhaupt nichts Großartiges machen, nur per Video da sein und mit den Schülern chatten." Keine neuen digitalen Unterrichtskonzepte, kein Beharren auf dem Lehrplan, bloß den Stundenplan durchziehen, damit alle, auch die Eltern, ihre übliche Tagesstruktur haben.
Nach vier Stunden vorm Monitor sinkt die Konzentration erkennbar
Inzwischen ist die Schule, Osterferien ausgenommen, seit fast drei Wochen im neuen Modus, und hat zum ersten Mal in ihrer zehnjährigen Geschichte von Eltern dankbare Videobotschaften bekommen. Auch die Lehrer sind zufrieden, manche Schüler arbeiten konzentrierter mit als im analogen Klassenzimmer. Nach vier Stunden Stillsitzen sinkt die Konzentration trotz Pausen aber erheblich; gerade wird getestet, per Video Sportübungen anzuleiten, auch kleine Kunstprojekte sollen zur Abwechslung dienen. Schüler, die mitten im Online-Unterricht auf stumm stellen oder Alt und F4 drücken, mal gucken, was passiert, gibt es natürlich auch. "Aber alle Beteiligten haben die Scheu vor dem Medium verloren", sagt Schulvorstand Beisse und führt das darauf zurück, dass "wir keine Hürden aufgebaut haben". Einfach machen, sei gerade das Motto der Schule.
Und bloß nicht darauf warten, dass die Politik für jeden Schritt den Teppich ausrollt. Dann schaffe es keine Schule schnell genug ins Netz, um in der Corona-Krise ihre Pflicht zu tun, warnt Beisse. Die Schulen sollten sich lieber gegenseitig helfen, findet man am Jenaplan-Gymnasium - und stellt deshalb zur Ermutigung auf der Schulhomepage Livestreams vom Unterricht zur Verfügung. Wer den Schülern und Lehrern zuschaut, wie sie in ihrem neuen Schulhaus chatten, in Textdokumente statt auf Tafeln schreiben und sich in Aufgaben vertiefen, darf kein Spektakel erwarten. Guckt Schüler P gerade ein Lehrvideo, zeigt der Stream nur: P.