Medizinstudium:Keine Experimente!

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Auch im OP-Simulator sollte Kommunikation geübt werden. (Foto: Stephan Rumpf)

Angehende Ärzte wollen selten Forscher werden. Das liegt an den oftmals schlechten Bedingungen für wissenschaftliche Karrieren - aber laut Experten auch am Studium selbst.

Von Johann Osel

Karriere in der Klinik oder mit eigener Praxis? Dieser Gedanke kommt offenbar bei Medizinstudenten gut an. Viel besser als die Aussicht auf eine Universitätskarriere, mit all dem Unbill, den man auch aus anderen Disziplinen kennt - meist schlechtere Verdienstchancen, vor allem aber das jahrelange Hinarbeiten auf eine Professur, die am Ende keineswegs tatsächlich kommt. Um mehr angehende Ärzte in wissenschaftliche Laufbahnen zu bringen, sind nach Ansicht von Experten Änderungen im Studium nötig. Das zeigt nun ein Aufsatz in der aktuellen Ausgabe der Beiträge zur Hochschulforschung. Die Autoren führen Umfragen unter Studenten auf, die ein geringes oder sogar sinkendes Interesse an wissenschaftlichen Karrieren gezeigt haben. In einer dieser bundesweiten Erhebungen gaben 72 Prozent der angehenden Ärzte an, eine rein klinische Tätigkeit anzustreben; gerade mal zwei Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, Forscher zu werden.

Der "geringe Wissenschaftsbezug der Medizinstudierenden", heißt es, zeige sich auch in der Anspruchshaltung ans Studium: Nur ein Drittel der Befragten erwarte, "dass es zur selbständigen Anwendung von Forschungsmethoden befähigt". Fatale Folge sei, dass es wenig experimentelle Doktorarbeiten gebe. Zugleich aber zeichnet sich laut den insgesamt zehn Autoren rund um Münchner Medizin-Didaktiker schon "ein Mangel" an forschenden Ärzten ab; dabei nähmen diese eine besondere Rolle ein: "Sie übersetzen die wissenschaftlichen Erkenntnisse in medizinischen Fortschritt", wovon die Patienten profitierten.

Gegenrezept? Es gebe "Bestrebungen", Studenten besser für Forschung zu qualifizieren, meist erst nach dem Abschluss. "Unzureichend" seien dagegen Berührungspunkte mit Wissenschaft im regulären Studium. Die Autoren empfehlen zum Beispiel verpflichtende Forschungserfahrungen schon in frühen Phasen des Studiums. Auch strukturierte Programme für Doktoranden - in denen Promovierende umfassend begleitet werden und gemeinsam den Stand ihrer Arbeiten debattieren - könnten womöglich den studentischen Forschergeist besser wecken als lose Betreuungsverhältnisse mit einem Doktorvater.

Vor zwei Jahren hatte der Wissenschaftsrat, das Beratergremium von Bund und Ländern, hierzu Empfehlungen gegeben. Dessen Vorsitzender, der Münchner Bildungsforscher Manfred Prenzel, gehört zur Autorengruppe. Bei allen denkbaren Maßnahmen - ursächlich für das Problem sei, heißt es, ebenso die schlechte Planbarkeit von Uni-Karrieren. "Auch in der Medizin sind die Aussichten auf einen Lehrstuhl sehr eingeschränkt."

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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