Sechs von zehn Schülern aus der leistungsschwächsten Gruppe sind Jungen. Sie machen weniger Hausaufgaben als Mädchen und nutzen ihre Freizeit seltener zum Lesen. All diese Erkenntnisse aus einer im März 2015 veröffentlichten Studie der OECD zu Geschlechterunterschieden in der Bildung zeigen unter anderem: Mädchen haben gegenüber Jungs in der Schule massiv auf-, sie in vielerlei Hinsicht überholt.
Entsprechend besagt der OECD-Bericht auch: Jungen fallen mit ihren schulischen Leistungen immer weiter ab. Warum das so ist und wie man gegensteuern könnte, haben nun Forscher aus Luxemburg und der Schweiz untersucht. "Entfremdung von der Schule, patriarchalische Meinung zu Geschlechterrollen und der geringere schulische Erfolg von Jungen", lautet der etwas sperrige Titel ihrer im Journal Masculinities and Social Change veröffentlichten Arbeit.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Mädchen schlagen Jungen in allen Bereichen
Ab der siebten Klasse werden die Schüler im Schweizer Kanton Bern, wo die Daten erhoben wurden, in drei verschiedene Schulzweige sortiert: Real, Sek und Spezsek; diese entsprechen vom angenommenen Leistungsniveau her etwa der deutschen Aufteilung in Haupt- bzw. Mittelschule, Realschule und Gymnasium. In allen drei Schularten wurden die Prüfungsleistungen der Schüler anhand eines Punktesystem verglichen - und die Mädchen übertrumpften die Jungen auf ganzer Linie.
Nicht nur schnitten sie in den sprachlichen Fächern (Deutsch, Englisch, Französisch) sowie in Musik, Biologie/Chemie und Geschichte besser ab. In der früheren Jungsdomäne Mathematik waren auf niedrigem und mittlerem Bildungsniveau keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erkennen. Einzig in der Spezsek schnitten die Jungen in Mathematik etwas besser ab als die Mädchen. Die Forscher bewerteten den Unterschied aber nicht als signifikant. Im aktuellen Pisa-Test hatten Jungen OECD-weit noch fast überall bessere Ergebnisse in Mathematik erzielt als Mädchen.
Schulischer Erfolg und Geschlechterrollen
In ihren Hypothesen gehen die Wissenschaftler grundsätzlich davon aus, dass Schüler, die sich an einem patriarchalischen Bild der Geschlechterrollen orientieren, schwächere Leistungen zeigen und eher zu ungebührlichem Verhalten in der Schule neigen.
Und tatsächlich, so Andreas Hadjar, Professor für Erziehungssoziologie und Leiter der Studie, gab es bei den Jungen "einen klaren Zusammenhang zwischen schlechten Leistungen und einer traditionellen Meinung über ihre Geschlechterrolle, nämlich, dass Männer Frauen 'führen' sollen". Jungs mit diesen Merkmalen neigten außerdem eher dazu, den Unterricht zu stören, und schnitten deshalb schlechter ab: Sie erzielten ein um etwa acht Prozent schlechteres Jahresergebnis als der durchschnittliche männliche Schüler im gleichen Jahrgang.