Lehrer-Blog:Lästerstunde im Lehrerzimmer

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Lehrer-Blog (Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Fachkundig, streng, professionell. So geben sich Lehrer gerne vor der Klasse. Aber wie ticken Pädagogen hinter verschlossenen Türen? Catrin Kurtz lässt uns ins Lehrerzimmer spicken und enthüllt: Lehrer können mindestens so gut lästern wie Schüler.

Schimpftiraden schallen durch den Raum, wüste Beleidigungen werden ausgestoßen. Sie denken, ich spreche von Schülern? Von wegen, wenn Sie wüssten, wie es im Lehrerzimmer zugeht!

Um an dieser Stelle Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe das große Glück, an einer Schule zu unterrichten, in der die Stimmung im Kollegium super ist, (fast) alle verstehen sich. Wenn sich im Lehrerzimmer Szenen wie eingangs beschrieben abspielen, dann unterhält man sich meist über die Schüler. Es mag manchen schockieren, aber Wörter, für die Lehrer in der Klasse Tadel aussprechen, kommen ihnen durchaus leicht über die Lippen, wenn sie unter sich sind.

So bespricht man gerne mal ausführlich und in blumigen Worten die besonders schwierigen Schüler und Klassen. Im Kollegium beliebter, aber pädagogisch selbstverständlich nicht ernstgemeinter Spruch zu manchem Schülername: "Das ist ja kein Name, das ist eine Diagnose". Manche Schüler kennt man nach zwei Wochen Lehrerzimmergesprächen schon vom Namen, auch wenn man sie persönlich noch nicht erleben durfte.

Cheyenne (Diagnose!)

Natürlich sind hauptsächlich die (verhaltens-) auffälligen Schüler Thema. Niemand würde sich im Lehrerzimmer über die brave Anna aus der 6d unterhalten, die immer gut mitarbeitet und alle Lösungen weiß. Viel interessanter ist es doch, sich über die unmögliche Cheyenne (Diagnose!) zu unterhalten, die während des Englischunterrichts auf den Tisch gestiegen ist und lauthals protestiert hat, als sie aufgefordert wurde, sich wieder hinzusetzen.

Ja, dabei fallen dann auch mal Schimpfwörter. Nach diversen Konfrontationen mit uneinsichtigen Schülern ist man einfach genervt, manchmal mischt sich in die Genervtheit Ratlosigkeit und Überforderung. Das Lehrerzimmer bietet Zuflucht und Verständnis.

Und damit Sie jetzt nicht denken, Lehrer seien insgeheim alle Schülerhasser: Die Schmipftiraden können durchaus auch andere Auslöser haben. Da wird dann über den Kopierer geflucht, der gerade mal wieder nicht funktioniert, oder über den Computer im Lehrerzimmer, der sich nicht mehr hochfahren lässt.

Skurrile Lehrersprüche
:"Ich habe Tinnitus im Auge - ich sehe überall nur Pfeifen"

Sie verwechseln Redewendungen, sind politisch unkorrekt - und wollen ihren Schülern an die Gurgel: Manche Lehrer bleiben vor allem wegen ihrer irren Sprüche in Erinnerung. Wir haben die besten Lehrer-Zitate der SZ.de-Leser gesammelt.

Ein weiteres Gesprächsthema in meinem Kollegium sind - man mag es kaum glauben - Rezepte, genauer: Kuchenrezepte. Sollten Ihnen dieser Fakt bislang entgangen sein: Lehrer sind die gefräßigste Spezies, die es gibt. Wenn man daheim im Kühlschrank etwas hat, das dringend aufgegessen werden sollte, einen selbst aber optisch und olfaktorisch nicht mehr wirklich anspricht: Man stelle es einfach zentral in ein Lehrerzimmer - nach spätestens zwei Stunden ist der unleckere Ladenhüter weg.

Unterzuckerte Lehrer auf Rezeptjagd

Jetzt gibt es an meiner Schule dankenswerterweise viele begnadete Bäckerinnen und Bäcker, Köchinnen und Köche, die jeden Feieranlass nutzen, um das Kollegium zu verköstigen. Das hat aber auch zur Folge, dass die Rezeptjagd eröffnet ist. Und unterzuckerte Lehrer können ganz schön grantig werden, wenn sie nicht alsbald das Rezept ihres Verlangens ausgehändigt bekommen.

Auch gerne besprochen werden Eltern. Gerade nach Elternabenden tauscht man sich aus. Da wird dann von jenen Müttern und Vätern geschwärmt, bei denen man sich im Gespräch fühlt wie auf einer netten Grillparty und die sich zum Abschied höflich bedanken. Da wird aber auch mit den Augen gerollt, wenn manchner Familienname fällt. Es gibt Eltern, bei denen ist eine zumindest aus Lehrersicht unerfreuliche und höchst ermüdende Diskussion programmiert. Mitunter finden regelrechte Wettkämpfe statt, wer das abstruseste Elternabendgespräch vorweisen kann.

Gewinner vergangenes Jahr: Der Mathekollege, dem mitgeteilt wurde, er möge doch seine Stegreifaufgaben auf grünes Papier drucken, dann würde das Kind auch bessere Noten schreiben - Grün hat ja bekanntlich eine beruhigende Wirkung.

Seit diesem Abend denken wir über grüne Tapete im Lehrerzimmer nach, vielleicht beruhigen sich ja dann auch unserer Gespräche - und wir müssen nicht mehr so viel schimpfen. Omm.

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