Hochschule Osnabrück:Professor für Rasenmanagement: Grüner Star

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Pflege des Rasens in der Allianz-Arena: Vor der Fußball-WM 2006 wurde in Deutschland erstmal ein Rasenkompetenzteam gegründet. (Foto: lok)
  • Ab dem Wintersemester gibt es an der Hochschule Osnabrück erstmals in Deutschland eine Professur für Rasenmanagement.
  • Tatsächlich ist die Pflege des Grüns eine Wissenschaft für sich - in England und den USA gibt es längst den akademischen Beruf des Greenkeepers.

Von Thomas Hahn

Neulich war der Landschaftsbau-Professor Martin Thieme-Hack von der Hochschule Osnabrück mit Studenten in Berlin. Er war wieder sehr angetan von der Hauptstadt, auch von den kleinen Parks entlang der Spree. Rasenmäßig allerdings hat er dort in den Abgrund geschaut. Es war ein heißer Tag, die Grünflächen waren voller Menschen - genauer gesagt: die Braun-Grün-Flächen. Denn einen durchgängigen Rasen gab es nicht mehr.

"Vielleicht die Hälfte der Fläche war noch Gras, der Rest war ausgetreten, staubig, blanke Erde", sagt Thieme-Hack. "Grausam." Den Grund kann er sich denken: Der klammen Berliner Verwaltung fehlt Geld für die Rasenpflege. Die Wissenschaft müsste für sie ein Grün entwickeln, das auch mit wenig Aufwand einen vorzeigbaren Untergrund hergibt. Und das wiederum hat Martin Thieme-Hack noch mal gezeigt, dass seine Hochschule in Osnabrück richtigliegt mit ihrer Entscheidung, die vorerst einzige deutsche Professur für Rasenmanagement auszuschreiben.

Je ruppiger, welker, vernachlässigter die Gärten sind, desto größer ist die Not

Grün ist die Farbe des Wohlstands. Am satten, glatt gemähten Rasen kann man ablesen, wie gut es einer Gesellschaft geht. Er gehört zur Einrichtung einer reichen urbanen Landschaft wie ein schöner Teppich ins bürgerliche Wohnzimmer. Je ruppiger, welker, vernachlässigter die Gärten sind, desto größer ist die Not. Insofern ist das kein gutes Zeichen, wenn in Berlin die Grasnarben vertrocknen.

Wobei zu große Sorge wohl nicht angebracht ist: Grundsätzlich ist der Rasen in Deutschland noch in Ordnung, und das kann man sich hier offensichtlich auch in Zukunft leisten. Sonst würde die Hochschule Osnabrück nicht besagte Stiftungsprofessur "Nachhaltiges Rasenmanagement" einrichten, die ab dem Wintersemester die Rasen-Forschung ankurbeln und im Rahmen des Studiengangs Agrar- und Lebensmittelwirtschaft die Rasenmanager von morgen ausbilden soll.

In England und den USA ist Greenkeeper ein akademischer Beruf

Auf den ersten Blick wirkt es seltsam, dass nicht nur Popstars und Sportprofis Manager brauchen, sondern auch der Rasen. Aber die Rasenpflege ist ein altes Gewerbe. "Rasen ist eine Gemeinschaft aus bestimmten Gräserarten, die eine nichtlandwirtschaftliche Nutzung erfüllen muss", erklärt Dr. Harald Nonn, Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft (DRG). Dass er regelmäßig gemäht wird, unterscheidet den Rasen also von der Blumenwiese.

Etabliert wurde er von englischen Adligen, die auf ihren Landsitzen feststellten, dass sich eine Wiese, die Schafe niedrig gefressen hatten, gut zum Ballspielen eignete. Und so richtig Eingang in die Gartenkultur fand der Rasen, als der Ingenieur Edwin Beard Budding 1830 den ersten Rasenmäher erfunden hatte: ein Handgerät zum Schieben, in dem eine mit Messern versehene Spindel rotierte und die Halme im Zusammenspiel mit einem zweiten, feststehenden Messer kappte.

Heute ist die Rasenpflege eine umsatzstarke Industrie, die inklusive Mähroboter alles Erdenkliche bereitstellt, um Gräser so zu päppeln und zu trimmen, dass sie eine passable Vegetationsdecke abgeben. In England und den USA ist Greenkeeper ein akademischer Beruf. Auch an Agrar-Lehrstühlen deutscher Unis hatte die Rasenkunde lange einen Stammplatz, dann wurde sie von anderen Fachbereichen verdrängt. "Überfällig" nennt DRG-Mann Nonn deshalb das Comeback der Rasenlehre; die DRG und zwölf weitere Stifter aus der Rasenwirtschaft investieren in die Professur.

Die Deutschen haben ihre Haltung zum Grün erst entwickelt, sagt Nonn. "Das Rasenbewusstsein ist im Prinzip gekommen, als sich die Nutzung in den Hausgärten änderte: weg vom Nutzgarten hin zum Erholungsgarten." Ab Ende der Siebzigerjahre sollte der Rasen eine Zierde sein, nicht mehr nur das grobe Umfeld für Gemüse-beete und Obstbäume. Und im Fußball ging 2006 ein Ruck durch die deutsche Rasengemeinde.

Vor der Heim-Weltmeisterschaft stellte sich heraus, dass die deutschen Stadionrasen nicht den Ansprüchen des Weltverbandes Fifa genügten. Ein Rasenkompetenzteam arbeitete das Thema auf und entwickelte für alle WM-Standorte einen einheitlichen "Charakterrasen" aus Wiesenrispe und Deutschem Weidelgras, der "schmalblättrige Sorten in einer mittelgrünen Farbausprägung" zusammenführte, wie seinerzeit die DRG berichtete. Das Lob war einhellig. "Von da an haben die Vereine angefangen, richtig gute Leute für das Greenkeeping einzustellen", sagt Thieme-Hack, "teilweise haben die Leute von Golfplätzen abgeworben."

Beim Strapazierrasen, jenem Untergrund also, der den Belastungen des Sports ausgesetzt ist, wird das Grün endgültig zum Objekt von Technologie und Wissenschaft. Pflanzen und Erdreich sollen sich zu einem Hochleistungsboden mit fast übernatürlichen Eigenschaften verbinden. "Also", sagt Martin Thieme-Hack, der selbst einst Fußballplätze angelegt hat: "Wir wollen einen satten grünen Rasen im Fernsehen sehen. Der braucht sehr viel Wasser und Dünger. Aber wenn Sie den Rasen mit den Fußballern bespielen, wird er verdichtet. Dadurch wird die Luft im Boden weniger, und dadurch wachsen die Gräser schlecht. Das heißt, wir brauchen einen Boden, der sehr viel Luft führt, aber gleichzeitig das Wasser hält."

Mit größtem Aufwand versuchen hoch bezahlte Fachleute, diese Widersprüche einzufangen. Auf Golfplätzen sind ganze Greenkeeper-Mannschaften mit dem Rasen beschäftigt. Vor allem mit den Grüns, auf denen der Spieler den Ball einlochen muss; aus weißem Straußgras (Agrostis stolonifera) fertigen sie Rasen mit extremem Kurzhalmschnitt, die so eben sind wie geknüpfte Auslegewaren.

Viele hätten gerne einen Rasen, der ohne Pflege gedeiht

In den Fußballstadien trägt ein Technik-arsenal dazu bei, dass die Pflanzen fit werden fürs Spiel. Weil die steilen Tribünen das Sonnenlicht abhalten, werden die Gräser der Plätze von Speziallampen angestrahlt. In Leipzig soll die Versorgung mit Kohlendioxid das Wachstum fördern. Die Bundesliga-Arena des VfL Wolfsburg besitzt eine spezielle Belüftungsanlage für die sensiblen Halme. "Dann das ganze Thema nachsäen" - Tieme-Hack hat dazu eine Zahl: "2,5 Tonnen Saatgut für eine Saison sind nicht selten." Ein teurer Spaß. 150 000 Euro kostet es allein, einen Fußballplatz mit Rollrasen zu belegen.

Seit einigen Jahren wird sogenannter Hybridrasen verlegt, ein Rasen also, der mit Kunststofffasern verstärkt ist. Das Stadion des FC Bayern hat so einen. Zwischen die natürlichen Gräser wurden wie mit einer Nähmaschine Polypropylen-Halme im Abstand von 2,5 mal 2,5 Zentimetern getackert. Man sieht sie gar nicht, weil sie nur zwei Zentimeter hoch sind, um acht Millimeter kürzer als die natürlichen Halme. "Aber es führt dazu, dass der Rasen eine deutlich höhere Belastungsfähigkeit hat", sagt Nonn.

Der Rasen der Zukunft? Darf der noch wachsen? Bessert er welke Stellen selbst aus? Viele Gartenfreunde hätten gerne einen Rasen, der ohne Pflege gedeiht. Ganz wird das nie klappen. "Gräser sind auch nur Pflanzen", sagt Harald Nonn, "die haben ihre Lebensansprüche." Forschen kann man trotzdem dran. Die neue Osnabrücker Professur soll nach einem Rasen fahnden, der Leistung bei geringem Verbrauch bringt. Dann kann sich irgendwann vielleicht auch Berlin wieder ein sattes Grün leisten.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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