Nationaler Bildungsbericht:Wer früher lernt, ist länger schlau

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Studentinnen vor Anatomie-Modell: Laut dem nationalen Bildungsbericht nehmen 79 Prozent der Kinder von Akademikern ein Studium auf (Foto: Robert Haas)
  • Für den Bericht "Bildung in Deutschland 2018" haben Forscher amtliche Statistiken und aktuelle sozialwissenschaftliche Studien ausgewertet.
  • Ein Schwerpunkt lag auf der Wirkung von Bildung.
  • Je besser Menschen ausgebildet sind, desto mehr verdienen sie und desto zufriedener sind sie allgemein mit ihrem Leben, lauten zwei Erkenntnisse.

Immer mehr junge Menschen wollen immer höher hinaus - zumindest in der Bildung. Dies zeigt der Bericht "Bildung in Deutschland 2018", den Forscher unter Leitung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) erarbeitet haben. Dafür wurden amtliche Statistiken und aktuelle sozialwissenschaftlichen Studien ausgewertet. Nicht nur steigt demnach die Zahl derer, die in Deutschland an Bildung teilhaben weiter an, hauptsächlich bedingt durch eine gestiegene Geburtenrate sowie die (mittlerweile wieder rückläufige) Migration. Auch streben Schüler und Studierende immer höhere Abschlüsse an.

Der Bildungsbericht erscheint alle zwei Jahre und widmet sich immer einem anderen Schwerpunkt. Diesmal geht es zentral um Ertrag und Wirkung von Bildung. Also etwa, welche Abschlüsse welche Jobchancen bieten und wie sich Bildungsabschlüsse auf das Wahlverhalten auswirken. Die Studie beleuchtet aber auch vielfältige weitere Themen aus dem deutschen Bildungswesen. Die wichtigsten Erkenntnisse:

Bildungsteilhabe und -erfolg hängen von sozialen Faktoren ab

Der Bericht bestätigt die Erkenntnisse anderer Studien, wonach die Bildungskarriere eines Kindes stark vom Elternhaus abhängt. Beispielsweise nehmen Kinder von Eltern mit einer beruflichen Ausbildung ohne Abitur nur zu 24 Prozent ein Studium auf. Akademikerkinder studieren dagegen in 79 Prozent der Fälle.

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Auch der Wohnort spielt bei der Bildung eine immer wichtigere Rolle. Die Wissenschaftler sprechen von unterschiedlichen "Herausforderungen in strukturschwachen und -starken Regionen, ein bedarfsgerechtes Bildungsangebot zu sichern". Überwiegend in ostdeutschen Landkreisen sowie kreisfreien Städten hat sich von 2006 bis 2016 die Anzahl der Grundschulen um elf, die der beruflichen Schulen sogar um 26 Prozent verringert.

Dazu gesellen sich Probleme der Betriebe, Auszubildende zu finden. In vielen Bereichen Deutschlands hat sich eine paradoxe Situation entwickelt: Es bleiben viele Lehrstellen unbesetzt, zugleich finden aber in derselben Region auch viele Bewerberinnen und Bewerber nicht den gewünschten Ausbildungsplatz. Angebot und Nachfrage passen schlicht nicht zusammen. "Das hat Folgen für die Attraktivität der Regionen als Arbeits-, Bildungs- und Wohnort", heißt es im Bericht. Und diese Folgen dürften negativ sein.

Kitas und Schulen werden immer heterogener

Die Herausforderungen für das Lehrpersonal durch Migration, aber auch Inklusion und eine erweiterte Durchlässigkeit der Bildungsangebote, sind umfangreicher geworden. Die Anzahl der Kinder in Kindertagesbetreuungen, die in der Familie vorrangig nicht Deutsch sprechen, ist zwischen 2006 und 2017 zum Beispiel von 363 000 auf 553 000 gestiegen.

Auch lernen mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen als noch vor einigen Jahren. Seit 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten ist, werden deutlich weniger förderbedürftige Kinder direkt an einer Förderschule eingeschult (Rückgang von 3,6 auf 3,0 Prozent von allen Schülern). Wenngleich diese Zahlen dafür sprechen, dass die Inklusion an Deutschlands Schulen vorankommt, ist noch ein weiter Weg zu gehen: Laut Bericht wird nur in vier Bundesländern die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in allgemeinen Schulen unterrichtet.

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Es werden immer höhere Bildungsabschlüsse angestrebt

Immer mehr Kinder wechseln von der Grundschule direkt ans Gymnasium und entsprechend machen auch immer mehr Kinder eines Jahrgangs das Abitur. So ist der Anteil der Absolventinnen und Absolventen mit Abitur von 34 Prozent im Jahr 2006 auf 43 Prozent im Jahr 2016 angewachsen.

Auch die Studiennachfrage ist über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Die Zahl der Studienanfänger liegt mittlerweile seit fünf Jahren bei mehr als 500 000; im Vergleich zu 1995 ist das fast eine Verdopplung (261 400). Wenngleich sich viele Studierende immer wieder mehr Lehrpersonal wünschen, sehen die Autoren des Bildungsberichts diesen Aspekt weniger kritisch. Der Personalausbau an den Hochschulen habe mit der steigenden Studiennachfrage weitgehend Schritt gehalten. Beispiel Universitäten: Dort ist die Zahl der Studierenden zwischen 2005 und 2016 um 28 Prozent gestiegen. Das Personal wurde im gleichen Zeitraum um 23 Prozent aufgestockt.

Mehr Bildung bedeutet ein höheres Einkommen - und hat weitere positive Effekte

"Es braucht mehr Plätze in Kitas und Schulen", heißt es in der Analyse. Wer länger zur Schule und geht und danach studiert, kann später mit einem höheren Gehalt rechnen - diese Vermutung bestätigt der Bericht nicht nur, er quantifiziert sie auch. Demnach verdienen Akademikerinnen durchschnittlich fast acht Euro pro Stunde mehr als Frauen mit einer beruflichen Ausbildung. Bei den Männern macht der Unterschied sogar neun Euro aus.

Aber höhere Bildung hat nicht nur einen finanziellen Gegenwert, auch Staat und Gesellschaft profitieren davon: Beispielsweise gehen 57 Prozent der 18- bis unter 40-Jährigen mit Hochschulreife wählen. Mit einem Hauptschulabschluss sind es nur 41 Prozent. Außerdem geben Akademiker eine allgemein höhere Lebenszufriedenheit an als Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.

Die Teilhabe an Bildung beginnt immer früher

Die Kindertagesbetreuungsangebote spielen einen immer größere Rolle - Stichwort: frühkindliche Bildung. Nahmen 2006 von den Zweijährigen noch nur 26,5 Prozent ein solches Angebot wahr, waren es 2017 bereits 61,9 Prozent. Auch bei einjährigen Kindern hat sich die Quote mehr als verdreifacht.

Der Bericht zeigt auch, dass sich die Nutzung von frühkindlichen Bildungangeboten lohnt. Ein früherer Beginn der Kindertagesbetreuung zahlt sich demnach in Form höherer Kompetenzen bei Schulbeginn aus. Konkret konnten Kinder, die mehr als zwei Jahre in einer Kindertageseinrichtung betreut worden waren, bei Schulbeginn besser Lesen und Rechnen als Kinder, die kürzer in solch einer Einrichtung gewesen waren.

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