Zwischenlager:Überrascht von den Castoren

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CSU ist erzürnt und droht mit dem Scheitern der Energiewende

Von C. Sebald und W. Wittl, Landshut

Die Ankündigung von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), das Atomkraftwerk Isar bei Landshut zu einem Zwischenlager für Castoren zu machen, hat die bayerische Staatsregierung völlig unvermittelt getroffen. "Dreist und politisch unklug", nannte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) die Entscheidung, so eine "einseitige Festlegung" kurz vor dem Abschluss der derzeit im Bund laufenden Energieverhandlungen zu führen. Sollte Hendricks den Entschluss nicht zurückstellen, drohte Huber indirekt mit dem Scheitern aller Gespräche. Dann stehe die "Einigung bei der Energiewende insgesamt infrage".

Vor allem über den Stil mokierte man sich in der CSU. Es sei ein "unmögliches Vorgehen", auf solche Weise Fakten zu schaffen, sagte ein Regierungsmitglied. Eine finale Gesprächsrunde mit Hendricks habe nicht stattgefunden. Am Freitag trafen sich CSU-Chef Horst Seehofer und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin, um über die strittigen Stromtrassen zu verhandeln. Es sei womöglich kein Zufall gewesen, dass die Nachricht mit den Castoren kurz zuvor rausging, um weiteren Druck auf die CSU aufzubauen.

Groß ist die Empörung im Raum Landshut. "Wir haben doch schon genug Probleme mit dem Zwischenlager am Atomkraftwerk Isar", sagte Oberbürgermeister Hans Rampf (CSU). Im Kernkraftwerk Isar 1 befinden sich nach wie vor alte Brennstäbe in dem Abklingbecken der Anlage, nur weil keine Castoren vorhanden sind, in die sie umgeladen werden könnten. Die Staatsregierung müsse einschreiten, damit nun nicht auch noch Castoren gelagert würden. Die allerdings ist machtlos, da die Hoheit beim Bundesamt für Strahlenschutz liegt. Chancen bestehen daher nur auf politischem Weg.

Der Essenbacher Bürgermeister Dieter Neubauer (CSU), in dessen Gemeinde die Atomkraftwerke Isar 1 und 2 stehen, kündigte am Freitag "massiven Widerstand" an. Der Landtagsabgeordnete Helmut Radlmeier (CSU) rief dazu auf, parteiübergreifend alles zu tun, "damit dieser Standort vom Tisch gefegt" werde. Doch nicht jeder ist dieser Ansicht. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte zwar, es gehe nicht an, dass man "zusätzliche Castoren denen unterjubelt, die schon welche haben". Der energiepolitische Sprecher seiner Fraktion, Thorsten Glauber, jedoch erklärte: Bayerns Bürger müssten nun "die Quittung für die jahrzehntelang verfehlte Energiepolitik der CSU zahlen".

Auch der Bund Naturschutz forderte den Freistaat auf, sich der "Verantwortung für seinen Atommüll" zu stellen. "Die jahrzehntelange CSU-Atompolitik ist bis heute verantwortlich für mehr als ein Viertel des deutschen Atommülls", sagte der energiepolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Martin Stümpfig. Bayern könne sich bei der Frage der Zwischenlagerung nicht wegducken. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher warf der CSU "feiges und unmoralisches Handeln" vor. Sie habe nicht nur "jahrzehntelang hochradioaktiven Müll produziert", sondern blockiere auch erneuerbare Energien.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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