Zuwanderer in Deutschland:Integrationsverweigerer CSU

Lesezeit: 2 min

"Deutschland ist kein Zuwanderungsland": Die CSU verschärft den Ton in der Ausländerpolitik. Von Migranten erwartet die Partei, dass sie sich in die Gesellschaft einbringen. Doch sie macht es ihnen schon in den eigenen Reihen schwer.

Mike Szymanski

Haritun Sarik hat seinen Landsleuten jetzt wieder viel zu erklären. Der Armenier erzählt ja gerne, die CSU sei eigentlich eine Partei mit weit offenen Armen. Der 51-Jährige hat es in ihr zum Stadtrat in Regensburg geschafft. Seht her, sagte Lebensmittelhändler Sarik gerne, ich habe mich integrieren lassen.

In Bayern gehören Ausländer längst zum gewohnten Bild - in der CSU sind sie dagegen selten zu finden. (Foto: dapd)

Im Moment beeindruckt er mit seiner Biographie die Landsleute nicht. Die haben einen ganz anderen Satz im Ohr. CSU-Chef Horst Seehofer sagte neulich, Deutschland brauche keine Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen. Er nannte namentlich die Türken und Araber, weil die Menschen sich mit der Integration schwerer täten. Seither sagen die Leute zu Sarik: "Siehste, CSU."

Deutschland diskutiert über Zuwanderung und Integration. Und die CSU hört sich an, als gäbe es Menschen wie Sarik in ihren Reihen überhaupt nicht. Vor dem Integrationsgipfel am Mittwoch im Berliner Kanzleramt hat die CSU den Ton in der Ausländerpolitik nochmals verschärft. "Deutschland ist kein Zuwanderungsland", heißt es im Leitantrag vom CSU-Parteitag vom Wochenende.

Sarik versteht die Welt nicht mehr. Er dachte, es hätte sich etwas geändert. "An der CSU hing früher ein unsichtbares Schild: Zutritt für Ausländer verboten. Wenn man daran etwas ändern will, muss man doch auf die Leute zugehen." So wie er. Nun ist wieder etwas zu Bruch gegangen und Sarik muss die Scherben aufkehren.

Die CSU ist noch immer eine überaus deutsche Partei. Namen, die klingen wie Haritun Sarik, findet man selten auf Stadtratslisten. Im Landtag gar nicht. Dafür gibt es dort zwei Hubers und sogar zwei Winters. Im Bundestag sitzen die Müllers. Zahlen, wie viele Ausländer sich in der CSU engagieren, hat die Partei überhaupt nicht. Bisher hat sie sich dafür offenbar nicht sonderlich interessiert

Sarik und auch die wenigen anderen Ausländer, die sich in der CSU engagieren, sind enttäuscht. Für die Augsburger CSU ist der gebürtige Grieche Dimitrios Tsantilas Ansprechpartner für Ausländer, die sich für die Partei interessieren. Aber das sind nicht viele, wie er sagt.

"Freund der Ausländer"

Der 54-jährige Stadtrat sagt, die Diskussionen der vergangenen Wochen und vor allem der Tonfall habe die CSU wieder weit zurückgeworfen. "Die Distanz zwischen Ausländern und der CSU wird wieder größer", sagt er. Die Partei hatte ihn vor der Kommunalwahl 2002 angesprochen, ob er nicht kandidieren wolle. In einer Stadt, in der 40 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund haben, wie das so schön korrekt heute heißt, war das auch eine Botschaft in eine multikulturelle Stadtgesellschaft hinein.

Tsantilas ist heute unzufrieden mit seiner CSU: "Sie öffnet sich nicht in der Geschwindigkeit, in der das die moderne Welt erfordert." Dabei gebe es auch unter den Ausländern ein großes Potential. "Es gibt so viele konservativ denkende Ausländer", sagt Tsantilas. Die könnten doch eine politische Heimat gebrauchen.

Es gibt besonders einen in der CSU, der das genauso sieht. Martin Neumeyer, 56, Landtagsabgeordneter und Integrationsbeauftragter der Staatsregierung. Nur in den eigenen Reihen ist er nicht richtig integriert, da nennen sie ihn den "Türken-Martin", weil er so oft türkische Gemeinden besucht und mit ihnen Tee trinkt. Neumeyer sagt, das störe ihn nicht. Ihn stört, dass seine Partei auf die Bremse tritt, wenn es darum geht, sich für Ausländer zu öffnen.

Der Leitantrag zur Integration vom Parteitag stammte nicht aus seiner Feder. Er hätte Brücken gebaut, statt Grenzen zu ziehen. Neumeyer wollte 2002 ein deutsch-türkisches Forum in seiner Partei einführen. Das gibt es bis heute nicht. Neumeyer sagt, die Partei könne es sich nicht erlauben, Ausländer links liegen zu lassen. Seine Partei will sie nicht mal ins Land lassen. "Ich führe einen Minderheiten-Kampf", sagt Neumeyer, der sich auch ein "Freund der Ausländer" nennt. Davon hat die CSU nicht viele.

© SZ vom 04.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: