Zugunglück bei Memmingen:Tod in der Unterführung

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War es ein Unglück? War es eine Mutprobe unter Jugendlichen? Oder war es Selbstmord?Noch immer rätselt die Polizei, warum am Freitag zwei Mädchen bei Memmingen von einem Zug erfasst wurden und starben.

Stefan Mayr

An einem Betonpfeiler der Unterführung stehen Kerzen und Grablichter. Blumen liegen auf dem steinigen Boden, Jugendliche haben Briefe geschrieben. An der Wand lehnen zwei Glasrahmen mit Fotos. Sie zeigen zwei Mädchen: Das eine geht auf einem Bahngleis spazieren, das andere sitzt auf einer Schiene.

Trauernde haben an der Unglücksstelle Blumen niedergelegt. Am Freitag starben hier zwei Mädchen. (Foto: dpa)

Es sind offenbar jene Mädchen im Alter von 13 und 16 Jahren, die am Freitag an dieser Stelle von einem Regionalzug erfasst und getötet wurden. "Vanessa, Nicky - wieso jetzt?" steht auf einem der Bilder.

Die Mauer dahinter ist bunt bemalt und besprüht, unter anderem mit dem Datum "26.04.2011". Die Unterführung unter der Autobahn A7 im Westen von Memmingen war offensichtlich ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche, auch die Polizei bestätigt dies mittlerweile. Aber was hier genau am Freitag passierte, als die beiden Mädchen starben, können die Beamten der Kriminalpolizei Memmingen noch nicht sagen. War es ein Unglück beim Überqueren der Gleise? War es eine Mutprobe unter Jugendlichen? War es Selbstmord?

Boulevardzeitungen berichteten, dass die Mädchen an einem Gewinnspiel teilnehmen wollten, bei dem spektakuläre Fotos gesucht werden. Dies bezeichnet das Polizeipräsidium Schwaben-Süd in Kempten jedoch als Spekulation. Doch ein Polizeisprecher sagt auch: "Es gibt einen Hinweis, wonach es in der Vergangenheit Mutproben gegeben haben könnte." Die Ermittler gehen nach wie vor von einem Unglücksfall aus, Fremdverschulden oder Selbstmord schließen sie aus. Bis Montagabend waren die Handys der getöteten Mädchen noch nicht ausgewertet, auch die Ergebnisse der Obduktionen lagen nicht vor.

Fest steht bislang nur, dass die zwei Teenager am Freitagnachmittag an der Bahnlinie Lindau-Memmingen im Bereich der Memminger Autobahnunterführung von der Regionalbahn erfasst wurden. Der 52 Jahre alte Triebwagenführer bemerkte den Zusammenstoß nicht. Er erfuhr erst im Bahnhof Buchloe von dem Unglück - und erlitt einen Schock.

Dass Lokführer den Aufprall von Personen nicht spüren, ist nach Polizeiangaben nichts Ungewöhnliches. Auf diesem Streckenabschnitt kommt noch eine Besonderheit hinzu. Die Züge haben eine Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde. Bei diesem Tempo sehen Zugführer für einige Sekunden nichts - bis sich ihre Augen vom Tageslicht an die Dunkelheit der Unterführung angepasst haben.

Der Unglücksort liegt in der Nähe eines Wohngebietes. Die Unterführung besteht nicht nur aus der Bahntrasse der Strecke Lindau-Memmingen, sondern auch aus einem Fußweg. Am Bahndamm steht ein Schild mit der Aufschrift "Übertreten der Gleise verboten." Das Wörtchen "verboten" ist allerdings mit schwarzer Farbe übersprüht. Auch Spaziergänger überqueren hier immer wieder verbotenerweise die Gleise.

Hier hatten sich die beiden Schülerinnen aus Memmingen am Freitag mit einem befreundeten 15-Jährigen verabredet. Da sie nicht erschienen und er zudem Kleidungsstücke der Mädchen herumliegen sah, machte er sich gemeinsam mit Passanten auf die Suche nach den Mädchen. An den Gleisen fanden sie deren Leichen. Der Junge verständigte über Notruf die Polizei. Der Notarzt traf kurze Zeit später ein, konnte aber den Mädchen nicht mehr helfen.

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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