Zündapp Janus:Wie zwei Bastler das Auto mit zwei Köpfen wiederentdeckten

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Gefährten in Gefährten: die zwei Exemplare auf dem Foto gehören privaten Janus-Fans. Wolfgang Heß (links) und Josef Graf haben sie gemeinsam wieder fahrtüchtig gemacht. (Foto: Anton Rainer)

Der Zündapp Janus war in den Fünfzigerjahren der Ladenhüter unter den Kleinwagen. Nun verhelfen ihm zwei Tüftler aus Issing zu neuem Glanz.

Von Anton Rainer, Issing

Als Josef Graf mit Anfang 20 einen seiner ersten Kleinstwagen kaufte, dachten seine Freunde, er wäre verrückt geworden. "3 200 DM für eine gebrauchte Isetta? Bist du noch ganz sauber?" Sein Vater, ein Landwirt, reagierte ähnlich verständnisvoll: "Ja spinnst du total?" Aber "der Sepp", der damals schon als findiger Schrauber von Issing bis ins nahe Landsberg bekannt war und seinen frisch erworbenen BMW-Winzling eigenhändig neu lackierte, war nicht verrückt.

Ja, er hatte sich mit dem "Bazillus" infiziert, wie er sagt, mit der Begeisterung für Kleinstwagen, "Goggomobile" und Motorräder, die sich in selbstgebauten Kellerregalen bis unter die Decke stapelten. In erster Linie aber war Graf ein Trendsetter, mit den Autos von gestern seiner Zeit weit voraus. "Damals haben die anderen gelacht", sagt er, "heute lache ich." Dann lacht er tatsächlich.

Dieser Zündapp Janus wurde als Exponat dem Haus der Bayerischen Geschichte übergeben. (Foto: privat)

Josef Graf trägt ein rotes T-Shirt mit "Vintage"-Schriftzug, und sein schwarz-grauer Schnauzbart zuckt, wenn er sich über seine eigene Sammelwut amüsiert. Mit Zweirädern hat der gelernte Postbote einst angefangen, dann, als er endlich seinen Führerschein hatte, kamen die Kleinwagen dazu. Zuerst einer, dann zwei, dann zehn, dann wurden es immer mehr, füllten zuerst nur Garagen und Kellerräume, bis es irgendwann den Hof der Eltern erwischte.

Nicht weniger als 140 motorisierte Oldtimer, Dutzende Fahrräder und ein Fluggerät stehen heute dort, wo früher mal das Heu für die Kühe aufbewahrt wurde. Nach und nach hat das Benzin die Milch verdrängt und einem kleinen Privatmuseum Platz gemacht. Jedes Fahrzeug ist beschriftet, jeder Motor fahrtüchtig. Und in manchen Karosserien sitzen sogar Schaufensterpuppen, um die tote Ausstellung "etwas lebendiger zu machen."

Es waren die Underdogs, die Josef Graf schon immer Freude machten. Zwar wurden die Kleinstwagen, die den Deutschen günstige Mobilität, und "endlich ein Dach über dem Kopf" schenkten, in den Fünfzigerjahren zum Verkaufsschlager. Doch neben dem erfolgreichen "Goggomobil", das zumindest dem Aussehen nach an ein Auto erinnerte, und der "Isetta", die ihre Nische irgendwo zwischen Trabi und Gokart fand, gab es auch einen großen Verlierer des Kleinwagen-Booms: Den "Janus".

Der Janus kam zu spät

1957 hergestellt in den Nürnberger Zündapp-Werken sollte der Kabinenroller schon durch seine revolutionäre Bauart begeistern: Zwei Sitzbänke, Rücken an Rücken und je eine Tür an Bug und Heck. Eine durch und durch symmetrische Angelegenheit. Doch es half nichts: Der Janus litt unter einem zu späten Verkaufsstart, der Konkurrenz durch den VW Käfer und dem Platzen der Kleinwagen-Blase. Die Leute wollten Autos, keine Autolein. "Der Janus", sagt Walter Heß, "ist ein gescheitertes Fahrzeug." Vielleicht passt es ganz gut, dass sich Heß, der hauptberuflich Religionslehrer an einer Realschule ist, sich dennoch für die gefallene römische Gottheit mit den zwei Gesichtern begeistern konnte. Irgendjemand musste es ja tun.

Josef Graf und er, heute beide um die 60, lernten sich vor 30 Jahren über eine Zündapp-Annonce kennen, damals ging es Heß noch um Motorräder, er suchte dringend Teile. "Der Sepp", der schon damals Motoren und Bremstrommeln hortete, hatte, was Heß brauchte - und begeisterte ihn für den Janus. "Mein Blick hat sich geweitet", sagt Heß, "mittlerweile schaue ich auch andere Marken an."

Aus den Schraubern wurden Freunde und aus Freunden eine eingespielte Werkstatt. Kümmert sich Graf um die Bremsen, arbeitet Heß an den Seitenverkleidungen. Wo es beim früheren Postboten immer "ein bisschen schneller gehen muss", kann sich der Lehrer beim Einbauen der Fenstergummis in Geduld üben. Und wenn Heß nachdenklich wird, ganz ernsthaft über seine "Verantwortung" als Vorsitzender der "Interessensgemeinschaft Janus" spricht, muss Graf auch mal lachen. Es sind doch nur Autos.

Zum Treffen kommen Fans aus ganz Deutschland

Gerade mal 6 900 Exemplare des Janus wurden in den Nürnberger Zündapp-Werken produziert, einer von ihnen wird künftig im Haus der Bayerischen Geschichte ausgestellt werden, restauriert und zum Laufen gebracht in der "Oldtimertenne", wie Grafs Privatmuseum im Netz noch immer genannt wird, obwohl es nach Konflikten mit der Kommune derzeit nicht öffentlich zugänglich ist. Dafür rollen immer wieder mal Janusse über den Hof und passieren die Scheunen, in denen neben einem überlebensgroßen Bravo-Titelblatt unter anderem ein Ford Ten aus Kriegszeiten steht.

In den 25 Jahren seit der Wiederbelebung der "Janus IG" fand das Janus-Treffen schon zweimal auf Grafs Hof statt, dafür karren die knapp 100 Vereinsmitglieder ihre zweigesichtigen Seifenkisten auch schon mal quer durch Deutschland. Zur Reparatur zum Beispiel, mit Originalteilen, soweit verfügbar - oder "mit aufgeschnittenen Coladosen", was im Falle der für Schäden anfälligen Bremstrommel erstaunlich gut funktioniert.

Es ist ein kleines Wunder, dass um den gescheiterten Pkw eine derartig lebendige Gemeinschaft entstanden ist. Eigentlich ist der Janus nämlich ein alles andere als kommunikatives Gefährt. Der direkt im Innenraum verbaute und nur notdürftig abgedeckte Mittelmotor macht das Mitfahren zu einer ganz schön lauten Angelegenheit - und Rücken an Rücken zu sitzen verspricht auch nicht gerade anregende Diskussionen. Zumindest in der Werkstatt aber ist das kein Problem. "Wir brauchen gar nicht viele Worte", sagt Walter Heß. Ein gutes Team versteht sich auch so.

Das Exponat wurde dem Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zur Verfügung gestellt, das im Mai 2019 eröffnen soll. Näheres dazu unter www.hdbg.de

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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