Youtube-Star:The famous Franke

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Ein 33-Jähriger aus Erlangen mischt Hollywood auf: Flula Borg. Wer bitte? In seiner Heimat kennt den Comedian kaum jemand, doch die Amerikaner klicken millionenfach auf seine Youtube-Videos. Von einem, der auszog, Quatsch zu machen

Von Kerstin Zilm, Los Angeles

Ein Ballsaal im Hollywood Palladium, einem Theater am Sunset Boulevard. Es wird einer dieser Preise verliehen, für die die amerikanische Glitzerstadt berühmt ist. Diesmal: die Streamy Awards für die besten Online-Videos. In der Kategorie Comedy-Serie steht plötzlich ein Mann aus Franken im Rampenlicht: Flula Borg, 33, geboren in Erlangen. Er trägt einen Norwegerpulli in Regenbogenfarben, rot glänzende Turnschuhe und eine nietenbesetzte Gürteltasche. Als die Moderatorin im kleinen Schwarzen "And the Streamy Award goes to. . . Flula" säuselt, friert kurz sein Gesicht ein, er schüttelt den Kopf, seine Lippen formen das Wort "no".

Auf der Bühne muss sich der 1,92 große Franke für die Dankesrede weit zum Mikrofon nach unten beugen. "Ich fühle mich wie ein Pandabär, der mit Menschen Hockey spielt", sagt Flula Borg, leicht hyperaktiv, wie immer. Sein Amerikanisch ist mit einem starken deutschen Akzent gefärbt, das ist auch in seinen Youtube-Videos sein Markenzeichen. Flula Borg, dessen ungewöhnlicher Vorname kein Künstlername ist, sondern tatsächlich so im Pass steht ("meine Eltern waren Hippies"), nimmt sich gerne selbst auf die Schippe, außerdem ist er bekannt für schräge Metaphern. Das Publikum im Ballsaal lacht. Fehlt nur, dass er einen Schuhplattler hinlegt. Das kann Borg nämlich auch. Er hat das als Teenager in seiner fränkischen Heimat gelernt, genauso wie Akkordeon, Klavier, Flöte und andere Instrumente. Sein Schuhplattler-Lehrer hatte ein Faible für ungewöhnliche Musik und Mischungen, Flula war inspiriert.

Damals hat er auch schon seine ersten Aufträge als DJ bekommen. Er spielte dabei nicht nur einfach Songs ab, sondern entschied sich für einen schrägen Mix aus Techno, Schlager und Kinderliedern, kombiniert mit selbst aufgenommenen Tönen, am liebsten von Tieren. "Echte Katzenmiaus und Pudelbellen habe ich genommen und dann alles im Techno-Stil zusammengespielt. Aus irgendeinem Grund fanden das die Leute cool", sagt er. Flula Borg wurde auch als Moderator für Konzerte engagiert, und irgendwann stellte er seine ersten Youtube-Videos ins Netz.

Zuerst fand das alles noch daheim in Franken statt und die Fangemeinde war sehr übersichtlich. Bis zu seinem Video "Flula in Germany". Das produzierte er 2008. In Jeans und schwarzem Rollkragenpullover springt er zu Techno-Rhythmen durch die Landschaft und schwärmt tanzend von Döner, Opa, Pudeln und Brot. Dieser Clip, 1:30 lang, wurde mehrere Hunderttausend Mal angeklickt. "Ich wusste, dass ich nun regelmäßig Videos hochladen muss", erinnert er sich. Er wusste auch, dass er nach Los Angeles gehen musste, wenn aus dem Spaß eine Karriere werden sollte. "In Deutschland wäre ich nur einer von vielen gewesen. Aber hier in den USA sind einfach die besten Künstler und das beste Netzwerk." Ende 2011 zog er um nach Kalifornien.

Der Schritt fiel ihm nicht schwer. Flula Borg liebt die USA seit seiner Kindheit. Seine Hippie-Eltern reisten mit ihm öfter kreuz und quer durch die Staaten. Auf den Touren hatte er immer sein Mikrofon dabei, um Töne aufzunehmen, von der Wüste bis zum Meer. Die amerikanische Lebenseinstellung liegt ihm, er liebt Burger, den Optimismus, American Football und Basketball. Und während er in Deutschland nach wie vor ziemlich unbekannt ist, lieben die Amerikaner ihn. Sein Youtube-Kanal hat mehr als 690 000 Abonnenten, Fans haben seine Filme insgesamt mehr als 77 Millionen Mal angeschaut. Das erfolgreichste Video heißt "Jennifer is a Party Pooper" und kommt allein auf mehr als 7,7 Millionen Klicks. Seine Online-Serie "German with a German with Flula" ist Kult. Darin erklärt er mit seinem Sauerkraut-Akzent deutsche Wörter und Redewendungen, zum Beispiel oberaffengeil (top monkey cool), einwandfrei (one wall free), Arschgeige (anus violin) oder Kummerspeck (grief bacon).

Filmagenten, Regisseure und Fachblätter sind auf das Multitalent aus Germany aufmerksam geworden. "Flula Borg ist einer der 25 größten digitalen Stars, deren Einfluss weiter steigen wird", urteilt die Zeitschrift Hollywood Reporter und schwärmt von seinen "amüsanten Interpretationen von Redewendungen". Das Konkurrenzblatt Variety zählt Flula Borg zu den zehn Komikern, die Hollywood im Auge behalten muss. "Im Alleingang zerstört er jegliche sich hartnäckig haltenden falschen Vorstellungen über teutonische Steifheit und Humorlosigkeit."

Er hat in Hollywood Verehrer, obwohl er sich nicht an Hollywoods Regeln hält. Zum Beispiel mischt er gerne Pressekonferenzen auf. Mit einer Mischung aus Charme und Übertölpelung bringt er Stars wie Will Ferrell, Anna Kendrick, Vince Vaughn und Christina Applegate dazu, seltsame Geräusche zu machen. Die verarbeitet er zum nächsten Hit auf seinem Youtube-Kanal.

Dort findet man auch ein Video mit dem Titel "German Moses", das Flula Borg mit dem anderen in den USA berühmten Franken aufgenommen hat: Dirk Nowitzki. Der 2,13 Meter große Basketball-Superstar aus Würzburg und der 1,92 Meter kleine Quatschmacher aus Erlangen zwängen sich darin auf die Rückbank eines SUV. Am Steuer und auf dem Beifahrersitz sitzen Cheerleader und versuchen verzweifelt, ernst dreinzuschauen, während die beiden Deutschen Knie an Knie eine leicht lückenhafte Fassung des Rolling-Stones-Hits "I Can Get No Satisfaction" singen.

Flula Borg setzt sich öfter mit prominenten oder auch nicht prominenten Gästen ins Auto und singt Songs nach, von Gangnam Style bis Santa Baby ist alles dabei. Auto-Tunes heißt diese Video-Serie. In einem Film sind auch seine Eltern zu sehen. Das Auto zuckelt durch eine verschneite deutsche Wohnsiedlung, Papa spielt auf der Rückbank Akkordeon, Flula rappt zappelnd auf dem Beifahrersitz und Mama am Steuer singt den Refrain.

Das Gespräch mit ihm findet auch im Auto statt. Erstens ist es Flula Borgs Lieblingsplatz in Los Angeles und zweitens ist er eigentlich immer in Eile, hetzt von Absprachen für Musikaufnahmen zu Vorstellungsgesprächen in Hollywood. "Meine Agentin sagt, ich habe gerade eine heiße Phase". Die müsse man ausnutzen. "Das kam alles sehr, sehr schnell", sagt Flula Borg, der sich noch vor Kurzem in einem Bürojob als Computerprogrammierer langweilte. "Vor drei Jahren kannte mich überhaupt keiner und dann passieren ein paar Sachen und es geht ruckzuck." Er war sogar schon auf der großen Leinwand zu sehen: als A-Capella-Sänger in "Pitch Perfect 2".

Warum die Fans in Amerika verrückt nach den Videos sind und Stars bei seinen Spielereien mitmachen, ist Flula Borg selbst nicht ganz klar. "Ich habe kein Erfolgsrezept. Ich lade einfach irgendwelche Sachen hoch, die mir einfallen", sagt er. Trotz all seiner Erfahrung kann er bis heute nicht vorhersagen, welches Video ein Hit wird und welches ein Flop. "Wenn ich etwas lange plane, wird das meistens nichts", erklärt er. "Wenn ich denke, das ist nichts, wird das öfter ein Riesenhit."

Manchmal, gibt er zu, hat er genug von seinem radebrechenden Alter Ego. Dann lädt er die Batterien auf - entweder in der Wüste oder in Deutschland, mit Familie, bayerischer Landschaft, Wolkenhimmel, Mamas Rouladen und frischem Brot vom Bäcker. Meistens aber genießt er sein hektisches Leben mit dem Zählen von Klicks. "Ich will, dass Leute meine Sachen sehen, dass es sie auch berührt. Selbst wenn es nur Ablenkung vom langweiligen Tag ist, ist das Grund genug, es weiter zu machen."

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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