Würzburg:"Der Kick der Überheblichkeit"

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Ein 19-Jähriger überfällt eine Bank und lästert danach über die Polizei. Jetzt hat ein Gericht ihn zu einer Bewährungsstrafe verurteilt - und schickt ihn in Therapie.

Olaf Przybilla

Die Szene in der Kneipe auf St. Pauli muss ungleich komischer gewesen sein als die jetzt in einem Saal des Würzburger Amtsgerichts. Auf der Reeperbahn hatte sich David S. gerade den Fahndungsaufruf auf dem Computer angeschaut, als ihn Beamte um seine Personalien baten. S. wurde gesucht seit sieben Tagen, er hatte eine Bank im fränkischen Röttingen überfallen. Unter der Adresse raeuber.von.roettingen@web.de machte er sich danach über tölpelhafte Polizisten und unfähige Reporter lustig. Leute, die offenbar nicht mal in der Lage waren, seinen Dialekt richtig einzuordnen. Als die Handschellen klickten auf St. Pauli, fand S. unter dem Schlagwort "dümmster Bankräuber Deutschlands" Eingang in die Presse-Archive.

David S. wird beschuldigt, eine Bank überfallen und einem Angestellten ein Messer an den Hals gehalten zu haben. Vor Gericht kommen dem 19-Jährigen die Tränen. (Foto: dpa)

Wie man schon ahnen durfte, sind die Dinge komplizierter und deutlich trauriger. Im Prozess gegen den 19 Jahre alten S. jedenfalls dauert es nicht lange, bis die Tränen fließen. S. ist der schweren räuberischen Erpressung angeklagt, immerhin hat er einem Bank-Angestellten ein Messer an den Hals gehalten und ist mit 2500 Euro Beute aus der Sparkasse getürmt. Seine Mutter hat den Ermittlern danach gesagt, sie sollten keinen übermäßigen Aufwand betreiben, der Bankräuber von Röttingen komme "ohnehin nach fünf Tagen wieder nach Hause zurück". Als der Richter das zitiert, fängt S. zu weinen an. Nein, einfach so zurückkehren, das habe er nicht gewollt. "Was hätte ich denn sagen sollen? Ich habe eine Bank ausgeraubt, aber jetzt bin ich wieder da?"

S. gibt sich redselig, er sagt, dass er zunächst schon eine große Stärke gefühlt habe, in jenen Tagen, als er Ermittler und Journalisten für unterbelichtet erklärte. Und ja, einmal habe er sich auch geärgert, und zwar "über Herrn Meißner". Der Angesprochene, Gerhard Meißner, ist Redakteur der Main Post, mit ihm hat S. regen E-Mail-Verkehr geführt in den Tagen nach dem Bankraub. S. hat dem Journalisten in seinen Schreiben allerlei an den Kopf geworfen, zum Beispiel, dass er "grammatekalisch" unkorrekt formuliere, dass er und die Polizei unfähig seien, präzise Angaben über seine Größe, seine Herkunft und sogar das geraubte Geld in die Welt zu setzen.

S. hat sich sogar ein Bild vom Redakteur im Internet angeschaut und ihm mitgeteilt, er sehe mitgenommen aus, "Sie sollten mal Urlaub machen". Dieser E-Mail-Verkehr aber habe ihn, S., nicht geärgert. Geärgert habe ihn vielmehr, dass Meißner darauf anspielte, dass die Fahndungshinweise auf ihn auch aus der eigenen Familie stammen könnten. "Das hat mich schon aufgeregt", sagt S. und weint.

Über seine Schilderungen vergisst S. beinahe ein wichtiges Detail. Der psychiatrische Gutachter erinnert ihn später daran: Ob er, S., mit seinen E-Mails möglicherweise die Festnahme habe beschleunigen wollen? Immerhin ließ sich der 19-Jährige zu der Zeit zum Großhandelskaufmann ausbilden, später möchte er mal Betriebswirtschaft studieren - da sollte man schon genug Verstand mitbringen, um zu wissen, dass man an Ermittler keine E-Mails in eigner Sache schicken sollte. "Vielleicht wollte ich auch entdeckt werden, ja", antwortet S.

Decken würde sich das mit einem Vorfall in einer jugendpsychiatrischen Klinik, in der S. als 15-Jähriger schon einmal einen Menschen erpresst hatte. Damals ging es darum, nach draußen zu dürfen. Als er dann draußen war, suchte er sich als erstes eine Telefonzelle, wählte die 110 und ließ sich festnehmen. S. wurde damals freigesprochen, musste sich aber zwei Jahre lang in psychiatrische Behandlung begeben. Ein Gutachter attestiert ihm nun "Auffälligkeiten im Persönlichkeitsbereich", aber keine "Schuldunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht".

Das Würzburger Amtsgericht verurteilt S. am Ende zu einer zweijährigen Jugendstrafe mit Bewährung. Einen "Kick der Überheblichkeit" attestiert ihm der Richter, sein eigentliches Problem aber sei, "in der Seele krank" zu sein. S. muss sich einer weiteren Verhaltenstherapie unterziehen. Der Redakteur Meißner, mit dem S. so fleißig gemailt hatte, verfolgte am Dienstag übrigens als Zuschauer den Prozess. Er habe es erst gar nicht glauben wollen, dass S. der tatsächliche Räuber sei, erzählt er. Als das dann aber doch immer klarer wurde, war dies für den Reporter nicht nur erfreulich: Er wollte eigentlich längst im Urlaub sein.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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