Wirtschaftspolitik der SPD:SPD setzt Industrie unter Druck

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Ein bisschen weniger Hochglanz, ein bisschen mehr Werkbank: Im Falle der Regierungsübernahme wollen die Genossen die Wirtschaftspolitik im Freistaat neu ausrichten. Die Unternehmen sollen sozialer und ökologischer werden.

Frank Müller und Mike Szymanski

Die SPD will im Falle der Regierungsübernahme die bayerische Wirtschaft zu mehr sozialem und ökologischem Engagement bewegen. "Wir werden höhere Ansprüche an die Industrie formulieren", kündigte der Wirtschaftssprecher der Landtagsfraktion, Thomas Beyer, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an. Beyer kann sich vorstellen, öffentliche Aufträge und Zuschüsse davon abhängig zu machen, ob die Firmen sich zu betrieblicher Mitbestimmung, zu Mindestlöhnen, besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ökologisch nachhaltiger Produktion bekennen.

Die Wirtschaft im Freistaat soll sozialer und ökologischer werden, findert die SPD. (Foto: dapd)

Auf diese Weise könne auch die in Bayern stark vertretene Autoindustrie seiner Auffassung nach dazu bewegt werden, umweltverträglichere Autos zu bauen, erklärte Beyer. "Ein niedriger Verbrauch könnte eine jener Zielmarken sein, an die man eine staatliche Förderung knüpft. Wir werden die Unternehmen in die Pflicht nehmen, Entwicklungen schneller aufzugreifen." Unter einer SPD-Regierung könnte damit auf die Industrie deutlich mehr Druck von staatlicher Seite zukommen.

Erstmals seit Jahrzehnten hat ein von der SPD angeführtes Oppositionsbündnis realistische Chancen, die CSU von der Regierung zu verdrängen. Beyer kündigte an, die SPD werde stärker versuchen, "gestaltend" auf die Industrie in Bayern einzuwirken.

Die SPD setzt das Thema Wirtschaft demonstrativ an den Beginn ihrer Fraktionsklausur, die am Mittwoch im schwäbischen Kloster Irsee beginnt. Dort wollen die Abgeordneten über ein neues Gutachten des gewerkschaftsnahen IMU-Instituts diskutieren. In einem Thesenpapier dazu rechnet Beyer mit der Bilanz von CSU und FDP ab: "Die Industrie- und Wirtschaftspolitik der bayerischen Staatsregierung, insbesondere die Privatisierungspolitik, hat Bayern unter seinen Möglichkeiten entwickelt", heißt es in Beyers Papier.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher kündigte im Gespräch mit der SZ eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik im Freistaat für den Fall einer Regierungsübernahme an. Ziel müsse sein, klar auf die Industrie zu setzen und Bayern auch in der Fläche nach vorn zu bringen, sagte Rinderspacher, der bei einer Sommertour zahlreiche Unternehmen besuchen will. "Gefragt ist nicht so sehr die Kür, Bayern muss seine Pflichtaufgaben erledigen." Dazu zählen nach SPD-Auffassung vor allem Investitionen in Verkehrsnetze und Breitband-Internetanschlüsse.

Beyer sagte, aus seiner Sicht mache die starke Orientierung auf den Export die bayerische Wirtschaft extrem krisenanfällig. Sollte die SPD in Regierungsverantwortung kommen, werde sie versuchen, die Binnennachfrage zu stärken. Beyer könnte sich vorstellen, die Kommunen finanziell besser auszustatten, damit sie mehr Aufträge an regionale Handwerksbetriebe vergeben könnten. In der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sieht er großes Potential für neue Arbeitsplätze. "Wirtschaft ist nicht nur dort, wo es kracht und staubt", sagte Beyer.

Beyer hält die Wirtschaftspolitik der Stoiber-Ära schon länger für einen Fehler. "Ein bisschen weniger Hochglanz, ein bisschen mehr Werkbank", gab er kurz nach Übernahme des Wirtschaftssprecher-Postens vergangenen Sommer als Motto aus. Die Staatsregierung reibt der SPD solche Sprüche genüsslich hin. Zuletzt führte Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) die Zitate bei einer Regierungserklärung im Dezember als Beleg für mangelnde Wirtschaftskompetenz der Opposition auf.

Fraktionschef Rinderspacher betont vorsorglich, eine Abkehr vom Hightech-Standort Bayern stehe nicht zur Debatte: "Wir stehen zur Spitzentechnologie im Freistaat." Allerdings habe die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre entscheidende Schwächen, so Beyer. Viele staatliche Investitionen hätten nur zu einem Strohfeuer geführt anstatt zu nachhaltiger Förderung. In dem IMU-Gutachten heißt es dazu, vor allem der Ausstieg des Freistaats aus der Energieversorgung sei "äußerst kritisch" zu sehen. Durch den Verkauf der Viag-Anteile bei der Gründung von Eon habe der Freistaat geholfen, ein Monopol zu schaffen, und müsse nun noch dazu beim Abbau von Arbeitsplätzen zusehen. Bayerns Wirtschaft sei vor allem in Oberbayern stark. In anderen Bezirken sehe es deutlich kritischer aus, heißt es darin.

Mit ihren Ideen zur Industriepolitik versucht die SPD wirtschaftspolitische Kompetenz unter Beweis zu stellen. Bislang trauen die Bürger im Freistaat vor- rangig der CSU zu, den Wirtschaftsstandort Bayern zu sichern, wie jüngst wieder eine Meinungsumfrage des BR-Politikmagazins "Kontrovers" bestätigte. Danach setzen sieben von zehn Bayern auf die CSU. Die SPD kommt nur auf magere neun Prozent. Auf die Frage, welcher Partei die Leute am ehesten zutrauen, Arbeitsplätze zu sichern und für neue Jobs zu sorgen, antworteten nur 18 Prozent: die SPD.

© SZ vom 10.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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