Wirtschaft:Krise wie noch nie

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30 000 Jobs in der Metall- und Elektroindustrie sind gefährdet

Von Maximilian Gerl, München

Schlechte Aussichten, fehlende Nachfrage - und womöglich viele Entlassungen: Die bayerische Metall- und Elektroindustrie befürchtet eine lang anhaltende Rezession. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturumfrage der Arbeitgeberverbände Bayme VBM hervor. Die Umfrage wird halbjährlich erstellt. Noch nie hätten dabei die Unternehmen ihre Geschäftslage so schlecht bewertet wie jetzt, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der beiden Verbände. Von rund 870 000 Arbeitsplätzen könnten deshalb 30 000 im Jahresverlauf wegfallen. "Fast 61 Prozent der Betriebe rechnen mit einem weiteren Stellenabbau in Bayern", sagte Brossardt. Obwohl wieder mehr produziert werde, könne das zweite Halbjahr 2020 den Einbruch der ersten Jahreshälfte nicht mehr ausgleichen. Das Niveau vor der Corona-Krise werde "bestenfalls" im Laufe des Jahres 2022 wieder erreicht. "Wir haben einen sehr langen Aufholprozess vor uns."

Vor allem die Autoindustrie hat die Auswirkungen der Pandemie schwer getroffen. Nahezu 100 Prozent der hier befragten Firmen äußerten sich negativ über ihre Geschäftslage. Dabei steuerte die Branche schon vorher auf eine Krise zu: Der Wandel hin zu E-Mobilität wurde vielerorts verschlafen, wegen Handelskonflikten schwächelten die Exporte, die Folgen des Dieselskandals um gefälschte Abgaswerte bekamen auch daran Unbeteiligte zu spüren. Die Corona-Krise verschärft das alles nun. So dürfte das Auslandsgeschäft trotz aller Lockerungen auf absehbare Zeit verhalten laufen. Ein Virus kennt keine Grenzen.

Um Entlassungen möglichst abzuwenden, plädieren Bayme VBM - wie die Gewerkschaft IG Metall - für eine Verlängerung der zum Jahresende auslaufenden Kurzarbeiterregelung. Zudem sei wichtig, dass die von Bund und Freistaat angekündigten Investitionsprogramme rasch umgesetzt würden, sagte Brossardt. "Da muss es jetzt einen Ruck geben." Unabhängig davon wartet nach den Sommerferien ein für gewöhnlich langwieriges Thema auf die Branche: Tarifverhandlungen. Der derzeitige Vertrag läuft zum Jahresende aus, gleichzeitig sind die Verhandlungsspielräume krisenbedingt eng. Bayme VBM appellierten am Mittwoch schon einmal an die IG Metall, die konjunkturelle Lage verantwortungsvoll zu berücksichtigen. Die Gewerkschaft zeigte sich zuletzt grundsätzlich aufgeschlossen. Allerdings sehe man die Unternehmen in einer "politischen und moralischen" Pflicht, sagte ein Sprecher: Wer staatliche Hilfen erhalte, dürfe keine Stellen abbauen.

© SZ vom 23.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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