Wehrpflicht: Seehofer vs. Guttenberg:"Die Basis sieht das ganz locker"

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Heftiger Streit um die Wehrpflicht in der CSU: Parteichef Horst Seehofer hat das Thema zum Tabu erklärt. Die Basis indes stellt sich hinter Verteidigungsminister Guttenberg.

Wolfgang Luef

Die Reform der Bundeswehr ist zum großen Streitthema in der CSU geworden. Ihr Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen. Das würde die Bundeswehr faktisch zu einer Freiwilligenarmee machen. CSU-Chef Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident, hält das für einen Fehler.

Von wegen Identitätsfrage: CSU-Chef Horst Seehofer hat die Wehrpflicht zum Tabu erklärt, für seine Partei ist es aber keins. (Foto: ddp)

Aus seiner Sicht geht es in dieser Frage auch um die Identität der Union. Doch ist das wirklich so? Die Süddeutsche Zeitung fragte in Kreis- und Ortsverbänden, wie die Stimmung an der Basis ist und wie Guttenbergs Vorschläge dort ankommen.

Detlef Heim, 45, Vorsitzender des CSU-Ortsverbands Hammelburg:

"Bei uns in Hammelburg werden heute vor allem Berufssoldaten für Auslandseinsätze vorbereitet. Die sind hier hervorragend integriert, und wir stehen zu unseren Soldaten. Man muss aber schon die Frage stellen dürfen, wie wir im Jahr 2010 eine schlagkräftige Truppe zusammenbekommen. Natürlich, die CSU war immer schon für die Wehrpflicht. Aber unser Verteidigungsminister ist ja ebenfalls kein Wehrpflichtgegner. Also sollten wir ihm die Zeit geben, sein Konzept zu entwickeln. Man darf das nicht gleich von vorneherein ablehnen, sonst verbaut man sich alle Chancen."

Christa Reinert-Heinz, 51, CSU, stellvertretende Landrätin, Bayreuth:

"Die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Alles andere passt nicht mehr in unsere Zeit. Mir ist schon klar, dass das Auswirkungen auf die Standorte hat und dass es Widerstände geben wird. Aber ich halte es für den richtigen Weg. Ich finde außerdem nicht, dass die Wehrpflicht eine Grundposition der CSU ist. Wenn andere das so sehen, naja, dann würde ich mich dem nicht unbedingt anschließen. Da schließe ich mich lieber dem Verteidigungsminister an."

Tobias Reiß, 42, CSU-Landtagsabgeordneter aus Tirschenreuth:

"Wir brauchen eine Armee, die für ihre Aufgaben top ausgebildet ist. Schließlich müssen wir Bündnisverpflichtungen einhalten. Sollte das mit einer Freiwilligenarmee besser funktionieren, darf das kein Tabu sein. Unsere Bündnispartner haben doch auch fast alle bereits Freiwilligenarmeen. Natürlich ist das ein sehr emotionales Thema für die CSU. Man muss es behutsam angehen. Aber da möchte ich dem Verteidigungsminister keinen Vorwurf machen: Bis jetzt ist es ja nur eines von mehreren Konzepten. Ich vertraue dem Minister voll und ganz. Er ist ja auch deswegen so beliebt, weil er seine Konzepte genau überlegt und prüft, bevor er sie vorstellt."

Christian Meyer, 41, CSU-Kreisvorsitzender in Coburg:

"Wir haben hier im Kreisverband viel darüber diskutiert, und die Basis sieht das ganz locker. Der Vorschlag wird positiv aufgenommen. Wenn man damit Kosten einsparen kann, dann muss man drüber diskutieren. Und wenn das wirklich eine Identitätsfrage wäre, wie Seehofer das sagt, dann hätte es der Verteidigungsminister nicht einfach so zur Diskussion gestellt. Dass darüber geredet wird, heißt ja noch nicht, dass es dann auch wirklich so beschlossen wird."

Jürgen Trobentar, 59, Bezirksvorsitzender des Außen- und Sicherheitspolitischen Arbeitskreises Mittelfranken:

"Die Frage der Wehrpflicht muss sicherlich neu betrachtet werden, angesichts der neuen verteidigungspolitischen Situation. Es gibt Herausforderungen, die Umstrukturierungen nötig machen können. Natürlich ist die CSU die Partei der Bundeswehr, aber man muss hier in alle möglichen Richtungen denken. Soweit ich weiß, ist Guttenberg selbst ein Verfechter der Wehrpflicht. Auch er muss sich also dieser neuen Situation stellen und sie mit seinen Experten besprechen. Am Schluss wird sicherlich eine gute Lösung stehen."

Stephanie Kunz, 32, Vorsitzende der Jungen Union Bad Reichenhall:

"Für die Stadt Bad Reichenhall wäre es natürlich verheerend, wenn der gerade ausgebaute Stützpunkt wegen einer Bundeswehrreform verkleinert werden würde. Und ich frage mich auch, wie es in den Krankenhäusern weitergehen soll ohne die Zivildienstleistenden. Aber trotzdem bin ich für die Einrichtung einer Freiwilligenarmee, schon aufgrund der Haushaltslage. Da schließe ich mich ganz der Auffassung von Karl-Theodor zu Guttenberg an. Ich bin ein Fan von unserem Verteidigungsminister."

Hans Süßbauer, 57, CSU-Kreisverbandsvorsitzender Ingolstadt:

"Es muss überall gespart werden, auch bei der Bundeswehr. Und man kann sicher nicht bei den Auslandseinsätzen sparen, also muss man woanders ansetzen. Natürlich ist das für die CSU eine grundsätzliche Angelegenheit. Aber wenn schon ein Bundesverteidigungsminister der CSU, der sicherlich mehr von dem Thema versteht als ich oder viele andere, darüber nachdenkt, dann zeigt das doch die Notwendigkeit. Ich verstehe aber auch, dass der Ministerpräsident nicht sagen kann: ,Jawohl, darauf haben wir gewartet.' Das ist auch klar."

Rita Maier, 67, Vorsitzende der Frauen-Union Unterschleißheim:

"Ich bin da ganz der Meinung unseres Verteidigungsministers. Was der macht, finde ich generell sehr gut. Diese sechs Monate Grundwehrdienst, die jetzt vorgesehen sind, das halte ich für rausgeschmissenes Geld. Bis die jungen Leute ein bisschen was gelernt haben, sind sie schon wieder mit der Wehrpflicht fertig. Dann kann man es gleich lassen. Nur dass auch die Zivildienstler fehlen, das könnte ein echtes Problem werden."

Edgar Rölz, 69, CSU-Stadtrat in Kempten und Polizeikommissar im Ruhestand:

"Ich finde die Idee nicht so gut, auch noch die Wehrpflicht auszusetzen. Da gehen doch Arbeitsplätze verloren, und der Zivildienst wäre damit auch passee. Andererseits sind die sechs Monate, die man jetzt absolviert, nur mehr ein Mini-Wehrdienst. Damit kann man keine qualifizierten Soldaten mehr ausbilden. Ich glaube nicht, dass ich für diesen Vorschlag stimmen würde, aber ich verstehe, dass man in viele Richtungen denken kann. Ob der Verteidigungsminister das durchsetzen kann, ist eine andere Frage."

© SZ vom 18.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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