Vor dem Votum der Basis:Die vielen Gesichter eines Neuanfangs

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Bei der ersten von sieben Vorstellungskonferenzen für den Landesvorsitz feiert sich die SPD als wiederbelebte Mitmach-Partei. Florian Pronold verkündet: Seit der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gibt es 1200 neue Genossen in Bayern

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Wenn es danach ginge, mit welchem Kandidaten sich SPD-Mitglieder ein gemeinsames Foto vor der Gipsstatue von Willy Brandt im Foyer der Nürnberger SPD-Zentrale wünschten, dann wäre die Sache schon entschieden: SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen wird die nächste Parteivorsitzende. Tatsächlich ist die Aussagekraft der größeren Foto-Nachfrage begrenzt, denn die meisten anderen Kandidaten kannte in der fränkischen Stadt schlicht noch niemand. Doch die Szene vom Samstag zeigt auch, dass ihr bisheriges Amt als Generalsekretärin Kohnen im Wettbewerb um den Landesvorsitz jedenfalls nicht zur Außenseiterin macht. Sie ist beliebt und kam als klare Favoritin.

Dieser Rolle wurde Natascha Kohnen auch gerecht. Mit zehnminütigen Vorträgen stellten sich die Kandidaten nacheinander vor - Kohnen bekam dabei besonders viel Applaus. Auf Fragen konnte sie meist die konkretesten Antworten geben. Es wurde deutlich, dass sie den tiefsten Einblick in das hat, was ein Landesvorstand genau macht. Ihr Landtagskollege Florian von Brunn versuchte, das als Makel darzustellen: "Mir ist wichtig, dass wir über einen Neuanfang reden." Den würden nur die anderen Kandidaten verkörpern. "Natascha, ohne dich anzugreifen, du musst auch sagen, was ist deine persönliche Bilanz." Kandidat Markus Käser schloss sich ihm an: "Ich gebe Ihnen recht, wenn man acht Jahre Generalsekretärin war, kann man nicht sagen, dass man ein Neuanfang ist." Kohnen beließ es bei einer kurzen Abwehr: "Jede Person, die in ein Amt neu hineinkommt, bringt ihren eigenen Stil mit."

Punkten konnte Kohnen damit, dass sie die Mitgliederbefragung überhaupt vorgeschlagen hatte. Dafür lobten sie auch die fünf Gegenkandidaten, die in ihren Vorträgen mehr Unterstützung für SPD-Kommunalpolitiker auf dem Land ankündigten und durchgehend betonten, dass sie als Parteivorsitzende die Basis stärker einbeziehen würden als bisher. Mit den Namen einiger Bewerber taten sich viele Besucher auch nach der zweieinhalbstündigen Veranstaltung noch schwer - nicht nur, weil die Kandidaten vom Moderator ausschließlich mit ihren Vornamen und dem sozialdemokratischen Du angesprochen wurden.

Das Interesse war groß: 200 Stühle ließ die SPD aufstellen, sie haben nicht gereicht. Die Stimmung im Karl-Bröger-Zentrum war fast euphorisch. Das lag auch am Schulz-Effekt, welcher der Partei bereits 1200 neue Mitglieder beschert hat, wie der Noch-Vorsitzende Florian Pronold berichtete. "Es tut sich was, es ist Bewegung in der Partei", sagten Besucher. Von "Aufbruchstimmung" war immer wieder die Rede. Einer stellte für sich sogar fest: "Endlich kann man als SPD-Mitglied wieder aufrecht gehen."

Die Bewerber für den Landesvorsitz (von links): Gregor Tschung, Natascha Kohnen, Uli Aschenbrenner, Florian von Brunn, Markus Käser und Klaus Barthel. (Foto: Timm Schamberger/dpa)

Für einige hatten sich nach der Konferenz ein bis zwei Spitzenreiter herauskristallisiert, andere wollten die gesammelten Eindrücke noch eine Weile setzen lassen. Bei aller Freude über den basisdemokratischen Prozess äußerten sich Mitglieder auch leicht verärgert darüber, wer sich die Kandidatur so alles zutraut. Enthusiasmus allein reiche nicht, Professionalität sei wichtig. "Man muss sich den oder die Landesvorsitzende auch als Ministerpräsidentin vorstellen können", sagte eine junge Genossin. Für sie komme neben Natascha Kohnen vielleicht noch der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn infrage, der für ein scharfes soziales Profil und einen offensiven Umgang mit der CSU plädiert hatte.

Auch einige ältere SPD-Frauen äußerten sich vor allem beeindruckt von dem Auftreten der beiden Landtagsabgeordneten Kohnen und von Brunn. Sie wollten aber nicht ausschließen, dass sich die Nicht-Profis - also die drei Kandidaten, die bisher vor allem auf kommunaler Ebene aktiv waren - im Laufe der nächsten Vorstellungskonferenzen rhetorisch noch verbesserten.

Von ihnen kam Markus Käser mit seiner schalkhaften Art am besten an. Der Pfaffenhofener stand im blauen Strickpulli auf der Bühne und erinnerte daran, wie Walter Adam als Außenseiter im Jahr 2015 beim Landesparteitag kandidiert hatte - und ein Drittel der Stimmen holte. "Dort habe ich erlebt, dass diese Partei noch Leben in sich hat", sagte Käser. Aber die Parteiführung sei danach einfach zur Tagesordnung übergegangen, ohne den Dialog zu suchen. "Das war das Schlüsselerlebnis, dass es jetzt Zeit ist für einen Neuanfang." Und, so erläuterte Käser seinen Entschluss zur Kandidatur: "Wer Alternativen fordert, der muss sie auch selber bieten."

Souverän präsentierte sich Polit-Profi Klaus Barthel. Der Bundestagsabgeordnete wies ausführlich darauf hin, wie viel Erfahrung er in den vergangenen Jahrzehnten auf allen politischen Ebenen sammeln konnte. Ob er den Neuanfang verkörpert, den sich viele wünschen, muss sich zeigen.

Florian Pronold zeigte Haltung - es war nach seinem erklärten Verzicht auf eine erneute Kandidatur klar, dass nun vor allem darüber gesprochen würde, wie ohne ihn alles neu und besser werden soll. "Wir haben jetzt eine demokratische Auseinandersetzung", sagte er und fügte fast beschwörend hinzu: "Wir werden gestärkt daraus hervorgehen." Er stellte noch einmal klar, welchen Stellenwert das Votum der 59 000 Mitglieder haben wird: Laut Satzung müsse der Landesparteitag den Vorstand wählen. Doch alle sechs Bewerber hätten sich bereit erklärt, dort auf ihre Kandidatur zu verzichten, wenn die Mitgliederbefragung eine absolute Mehrheit für einen der fünf anderen ergibt. Falls nicht, werde es beim Parteitag zwischen den Kandidaten mit den meisten Stimmen zu einer Stichwahl kommen - für eine zweite Befragung per Brief sei keine Zeit.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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