Vor dem Parteitag in Nürnberg:Die CSU im Sog der Euro-Turbulenzen

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Euro-Skeptiker Peter Gauweiler hat viele CSU-Mitglieder euphorisiert - andere jedoch sind für ein beherztes Eingreifen der Euroländer in der Schuldenkrise. Verzweifelt versuchen die Christsozialen, sich vor ihrem Parteitag auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Doch die Bemühungen scheinen ins Leere zu laufen.

Frank Müller und Mike Szymanski

Wenige Tage vor ihrem Parteitag in Nürnberg ist in der CSU ein Richtungsstreit über die künftige Europapolitik entbrannt. Die Kandidatur des bekennenden Euro-Skeptikers Peter Gauweiler um einen der vier Stellvertreterposten des Parteivorsitzenden versetzt vor allem die Europapolitiker der CSU in Alarmstimmung. Sie fürchten eine Abkehr von der europäischen Idee, sollte sich Gauweiler mit seinen europakritischen Positionen durchsetzen.

Im Bundestag ist es um den Euro-Rebellen Peter Gauweiler eher etwas einsam geworden. Doch in der CSU hat seine Ankündigung, für den stellvertretenden Parteivorsitz zu kandidieren, viele Mitglieder euphorisiert. (Foto: REUTERS)

Der CSU-Grundsatzkommissionschef und Europaabgeordnete Manfred Weber sagte der Süddeutschen Zeitung, es gehe jetzt um die "zentrale Zukunftsdebatte" für die CSU. "Wir müssen europäische Gestaltungskraft werden. Wo es in bayerischem Interesse ist, heißt das auch mehr Macht für Europa."

Markus Ferber, Chef der Europaabgeordneten der CSU, erklärte: "Die Frage ist, wie sich die CSU langfristig positioniert. Bleibt sie in der Tradition von Franz Josef Strauß mit ihrer bundes- und europapolitischen Verantwortung oder degeneriert sie zur Provinzpartei."

Am Wochenende hatte bereits der Ex-Parteichef und frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber in drastischen Worten vor einem Zerfall Europas gewarnt und den britischen Außenminister Edward Grey mit dessen Worten zu Beginn des Ersten Weltkrieges zitiert: "In ganz Europa gehen die Lichter aus. Wir werden nicht mehr erleben, dass sie wieder angezündet werden."

Stoiber, bis zu seiner Beschäftigung als Entbürokratisierer in der EU-Kommission selbst für europaskeptische Äußerungen bekannt, plädiert für ein beherzteres Eingreifen der Euro-Länder, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen.

Damit zeichnen sich innerhalb der Partei immer tiefere Gräben in der Europapolitik ab. Parteichef Horst Seehofer hatte jüngst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung noch Grenzen für ein deutsches Engagement bei den Rettungsaktionen gesetzt: "Bis hierhin und nicht weiter", hatte er mit Blick auf die Bundestagsentscheidung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm gesagt.

Weitere Kompetenzverlagerungen bis hin zu einem Zusammenwachsen der Euroländer zu Vereinigten Staaten von Europa, wie sie in Teilen der CDU gefordert werden, lehnt die CSU-Spitze ab. Auch im Bundesrat hat Bayern mit einem Veto gedroht, sollte die Bundesregierung ihr Engagement beliebig ausdehnen wollen.

Seehofer ist in den vergangenen Wochen auch spürbar auf Distanz zu Kanzlerin Angela Merkel gegangen. Die CDU-Chefin verfolgt einen deutlich europafreundlicheren Kurs als die CSU. Bis zum Sommer hatte Seehofer ihr wiederholt die Unterstützung seiner CSU zugesagt.

Seitdem jedoch die Zweifel wachsen, ob sich Griechenland überhaupt noch retten lässt, ist Seehofer schrittweise vom Kurs der Kanzlerin abgerückt. Als Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler eine Insolvenz Griechenlands ins Spiel brachte und damit Merkel verärgerte, sprang Seehofer dem Liberalen demonstrativ bei.

Mit Gauweiler als Parteivize dürfte die Europakritik wieder Parteiprogramm werden. Gauweiler hat eine andere Vorstellung von Europa: "Diese riesigen Großräume sind Quatsch, die kleine Einheit wahrt die Freiheit der Menschen", hatte er neulich auf einer Veranstaltung des Katholischen Männervereins Tuntenhausen erklärt. Er sieht sich auf einer Mission. Mit seiner Kandidatur wolle er eine CSU-Niederlage bei der Landtagswahl 2013 verhindern helfen. Mit einem eurokritischen Kurs könne die CSU Wahlen wieder "haushoch" gewinnen, erklärte Gauweiler der Bild am Sonntag.

Er trifft derzeit die Gefühlslage in der Partei mit Sätzen wie diesen: "Wenn die Griechen ihre Demokratie nicht verkaufen wollen, müssen sie sich vom Euro trennen, zumindest auf Zeit. Die Drachme wieder einführen, abwerten, billiger werden, zurück auf Los."

Es gibt kaum noch einen im Führungszirkel der Partei, der ernsthaft bezweifelt, dass die Delegierten Gauweiler am Wochenende zum CSU-Vize wählen werden. Dabei hat er bislang eine Minderheitenmeinung in der Partei vertreten, im Bundestag gehört er zu den Abweichlern, die sich nicht auf Fraktionslinie bringen lassen. Bald spricht er womöglich als Parteivize.

Alle Versuche, vor dem Parteitag noch eine gemeinsame Linie in der Europapolitik zu finden, scheinen ins Leere zu laufen. Zweimal traf sich die Parteispitze, um über einen Leitantrag zur Europapolitik zu beraten. Tagelang wurden Entwürfe hin- und hergeschickt, Korrekturen eingefügt, Formulierungen verwässert, andere zugespitzt. Es ist ein Papier, mit dem die Befürworter wie die Skeptiker sich arrangieren können sollen. Vom Tenor her ein bisschen mehr an Europa, aber ja nicht zu viel.

Der frühere Europaminister und jetzige Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet hat es mitverfasst. "Mich hat gestört, dass wir so diffus auftreten", sagt Bocklet der SZ. Das Papier dürfte umsonst gewesen sein, wenn der Parteitag Gauweiler zum Vize macht. Seine Wahl würde die Botschaft des Leitantrags konterkarieren. Die Partei dürfe keinen europaskeptischen Kurs einschlagen, mahnt Bocklet: "Wir sind eine Partei, die für Europa ist." Gauweiler könne zwar gut "Unbehagen artikulieren", sagt Bocklet, er frage sich aber, was Gauweiler positiv gestalten wolle.

Es stelle sich die Frage, "ob es auf Dauer gut ist", die Kritik am Euro durch einen herausgehobenen Posten für Gauweiler praktisch in der Parteistruktur zu verankern. Solch kurzzeitiger "Lustgewinn" könne auch zu Frust führen.

© SZ vom 05.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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