Vohburg:Bild der Verwüstung nach Explosion in Raffinerie

Lesezeit: 4 min

  • Am frühen Samstagmorgen ist es in Vohburg (Landkreis Pfaffenhofen) in einer Raffinerie zu einer Explosion gekommen.
  • Mindestens zehn Menschen wurden der Polizei zufolge verletzt, einer davon schwer. Nach Angaben des Unternehmens Bayernoil, dem die Raffinerie gehört, mussten sogar 15 Menschen medizinisch versorgt werden.
  • Wie hoch der Schaden des Unglückes ist, ist derzeit noch unklar.
  • Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen, der Ort des Brandes kann von Fachleuten aber noch nicht untersucht werden.

Von Ingrid Fuchs und Johann Osel, Vohburg

Es sind schwarze Gerippe übrig geblieben von der Industrieanlage, sie verschwinden immer wieder hinter den quellenden, dunklen Rauchwolken und dem Schwall von Löschwasser, aus surrenden Spritzen von allen Seiten. Im Inneren der Raffinerie lodern weiter Feuerherde, fünf sieht man aus einer Entfernung von wenigen hundert Metern. Alles ist ausgebrannt, rundherum zeigt sich ebenfalls ein Bild der Verwüstung: Häuserwände hat die Explosion umgerissen, offenbar umherfliegende Fassadenteile haben ein Auto zerquetscht. Es riecht beißend, wie an der Zapfsäule einer Tankstelle, auch eine andere Note sticht hinein, ein bisschen wie angekokeltes Plastik. "Den Gestank kriegen Sie vielleicht gar nicht mehr raus aus der Kleidung", warnt ein Polizist. Das betrifft auch den Innenminister und sein blaues Sakko, an diesem Tag ohne Krawatte.

Joachim Herrmann (CSU) ist am späten Samstagvormittag draußen an der Raffinerie in Vohburg bei Ingolstadt, wo fünf Stunden zuvor ein lauter Knall der Auftakt war zu dieser Spur der Verwüstung und zum Katastrophenalarm im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Dutzende Einsatzkräfte, vor allem von der Feuerwehr, bekämpfen Flammen und Rauch. Herrmann, der sich ein Bild der Lage macht und kaum etwas sagt, nur den Beamten zuhört, ist zufrieden. Denn die Anlage ist zu dem Zeitpunkt bereits "in einem sicheren Zustand", wie es heißt, nichts trete mehr aus. Die Katastrophe ist nicht zur ganz großen Katastrophe geworden. "Glück", das wird der Minister später bilanzieren.

Raffinerie-Explosion nahe Ingolstadt
:Knapp an der Katastrophe vorbei

Zehn Menschen wurden bei dem Unglück in der Anlage der Firma Bayernoil verletzt. Dass es nicht mehr waren, ist Glück.

Von Ingrid Fuchs und Johann Osel, Vohburg

Es ist tatsächlich Glück, dass nicht mehr passiert ist an diesem Samstag in Vohburg und Umgebung; dass nur Tanks explodiert sind und nicht das Tanklager; dass zwar mindestens zehn Personen, Mitarbeiter der Raffinerie, verletzt wurden, vier von ihnen schwerer, dass es aber keine Toten gibt; und dass die dicke Rauchwolke, deretwegen 2000 Bürger ihre Häuser verlassen mussten, nach allem, was man weiß, nicht gesundheitsgefährdend war. Um 5.15 Uhr kam es in der Anlage der Firma Bayernoil zur Explosion, bis nach Pfaffenhofen haben es manche Leute gehört, die aus ihren Betten gerissen wurden und bald den Rauch sahen sowie das grell-orangefarbene Leuchten von brennendem Benzin.

Ein Großeinsatz: Die Polizei sperrt das Gelände großflächig ab, auch die Bundesstraße. Das Landratsamt Pfaffenhofen an der Ilm löst Katastrophenalarm mit Evakuierungen aus. Bis zu 600 Helfer von Feuerwehr, Polizei, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz sind in der Spitze im Einsatz. Ein paar Kilometer von Bayernoil entfernt wird ein Autohof zum Lagezentrum für die Einsatzkräfte. Am späten Vormittag zeichnet sich die Entwarnung ab: Kontrollflüge eines Hubschraubers hätten gezeigt, dass das Tanklager unberührt sei und bleibe. Das Feuer in der Raffinerie könne kontrolliert abgebrannt beziehungsweise gelöscht werden. "Das schnelle und professionelle Eingreifen" der Einsatzkräfte "hat Schlimmeres verhindert", sagt der Innenminister, die Zusammenarbeit sei "hervorragend" gewesen. "Wahlkampf", raunt ein Journalist auf dem Autohof, der schnell auch zum Pressestützpunkt wird. Doch bei einem Unfall solcher Dimension darf man davon ausgehen, dass Herrmann zu jeder Zeit gekommen wäre - es ist sein Beritt.

01.09.2018, Bayern, Vohburg an der Donau: Feuerwehrleute sind nach einer Explosion mit anschließendem Brand auf einem Raffineriegelände von Bayernoil nahe Ingolstadt im Einsatz. Acht Menschen sind bei der Explosion und einem anschließenden Großbrand verletzt worden. Zunächst sollten nach Polizeiangaben 1800 Menschen aus umliegenden Häusern wegen der Rauchentwicklung ihre Wohnungen verlassen. Nach rund drei Stunden löste sich die Rauchwolke teilweise auf - und die Menschen konnten zurück in ihre Wohnungen. Foto: Johann Osel (Foto: Johann Osel)

Am Sonntag dauern die Löscharbeiten immer noch an, meldet ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord. Das hat auch Folgen für die Ermittlungen. Zwar hat die Kriminalpolizei Ingolstadt im Auftrag der Staatsanwaltschaft schon am Samstag mit Befragungen und dergleichen begonnen, auch Brandexperten des Landeskriminalamts wurden hinzugezogen. So lange noch gelöscht wird, kann die Raffinerie aber nicht betreten werden; und auch danach muss wohl erst mal die Statik überprüft werden.

Ob die Löscharbeiten am Sonntag überhaupt abgeschlossen werden können, war am Nachmittag fraglich. Die Ursache blieb damit am Sonntag unklar. Explodiert sind dem Vernehmen nach Tanks in der Destillierkolonne - wo chemische Gemische in ihre Bestandteile aufgetrennt werden. Also mitten im Prozess der Erdölveredelung. Jürgen Deinert, Leiter für Instandhaltung bei Bayernoil, sagte am Samstag der SZ, alles sei regelmäßig vom TÜV überprüft worden. Ein Teil der Raffinerie wurde demnach im März gecheckt, ein weiterer Abschnitt ist im März 2019 dran. Zwischenfälle sind in dieser Branche mit ihren entflammbaren Stoffen keine Besonderheit, auch kleinere Brände fast Routine. Der Donaukurier dokumentiert mehrere Feuer und Explosionen in der Ölverarbeitung in und um Ingolstadt in den vergangenen Jahrzehnten, vereinzelt auch mit Todesfällen. Bayernoil teilt am Sonntag mit, die Prozessanlagen seien gesichert, "die Ursachenuntersuchungen haben begonnen". Die Firma meldet mit 15 Verletzten mehr als die Polizei, offenbar wurden auch kleinere Blessuren gezählt. Insgesamt soll bei niemandem Lebensgefahr bestanden haben.

Auch das Umweltministerium prüft, ob der Brand und die Löscharbeiten Auswirkungen auf Mensch und Natur haben. Erste Messungen hätten eine Entwarnung gebracht. Die Rußwolke war am Samstag Richtung Manching gezogen, wo es zu Niederschlägen gekommen sein könnte. Umweltminister Marcel Huber (CSU) war am Samstag zum Lagezentrum gekommen. Das kontaminierte Löschwasser werde aufgefangen und umweltgerecht entsorgt, sagte er. Positiv ist aus Umweltsicht: Es sei Wasser verwendet worden und nicht etwa hochgiftige Löschschäume, mit sogenannten per- und polyfluorierten Chemikalien.

Zum vergleichsweise glimpflichen Ausgang des Unfalls beigetragen hat die frühe Zeit. Nur 30 Mitarbeiter haben am Morgen der Explosion in der Raffinerie gearbeitet und den üblichen Schichtbetrieb am Laufen gehalten, erklärt Bayernoil-Experte Deinert. An normalen Werktagen tagsüber seien bis zu 150 Angestellte auf dem 127 Hektar großen Gelände tätig. Die Auswirkungen des Unfalls hätten also durchaus noch schlimmer sein können. Das Unternehmen betreibt die größte Raffinerie im bayerischen Raum, an den beiden Standorten - neben Vohburg ist das noch Neustadt an der Donau ganz in der Nähe - arbeiten insgesamt 790 Mitarbeiter rund um die Uhr. Bayernoil rief die Anwohner auf, entstandene Schäden - zum Beispiel durch die Explosion zersprungene Fensterscheiben - mit Fotos zu dokumentieren und ihre Ansprüche geltend zu machen. Der Gesamtschaden in Raffinerie wie Region dürfte viele Millionen Euro betragen.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: