Veitshöchheim:Wenn im Fasching die Masken fallen

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Nach der TV-Prunksitzung in Veitshöchheim traut sich neben Horst Seehofer nur Hubert Aiwanger als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten auf die Bühne. Homer Simpson Markus Söder und Hexe Ilse Aigner bleiben lieber im Publikum

Von Uwe Ritzer, Veitshöchheim

Eine Viertelstunde ist die Sendung vorbei, da ruft Frankens Fastnachtspräsident Bernhard Schlereth dazu auf, endlich alle Masken fallen zu lassen. Wer für 2018 Ministerpräsidenten-Kandidat werden wolle, solle sofort auf die Bühne kommen, "damit wir wissen, was auf uns zukommt", ruft er bei der After-Show-Party der Fastnacht in Franken in die Veitshöchheimer Mainfrankensäle. Horst Seehofer steht schon oben und wartet mit breitem Grinsen, umringt von Künstlern der TV-Prunksitzung und Würdenträgern des Bayerischen Rundfunks. Unten steht die komplette bayerische Oppositionsspitze, plus Markus Söder, plus Ilse Aigner, plus manch einem oder einer, der/die sich wohl heimlich Hoffnungen auf Seehofers Nachfolge macht. Doch nur einer dackelt sofort nach oben - Hubert Aiwanger.

"Das können wir schaffen", kommentiert Seehofer listig und knapp angesichts des als Indianer verkleideten Chefs der Freien Wähler. Ein anderer Satz für: "Du wirst eh' nie Ministerpräsident." Fortan steht Indianer Aiwanger etwas verloren herum. Wirkliche Anwärter auf das bayerische Häuptlingsamt wie Homer Simpson Söder oder Ilse die Hexe Aigner, waren schlau genug, nicht in die Falle zu tappen. Denn noch gehört die Bühne Seehofer. In der Landespolitik, in der CSU und in Veitshöchheim. Also darf sich der Ministerpräsident auch wünschen, dass die Mainzer Fastnachtsbardin Margit Sponheimer ihr inzwischen 48 Jahre altes Rosenmontagslied anstimmt. "Das war meine Jugend", sagt Seehofer und nuschelt noch etwas von "vielen Erlebnissen". Also singt Sponheimer wunschgemäß und unten im Saal tanzen sich Hunderte Besucher fast vier Stunden Sitzen aus den Knochen.

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und seine Frau Marga kamen als Samurai verkleidet nach Veitshöchheim. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Wobei es die meisten von ihnen während der Sendung einige Male vor Begeisterung aus den Stühlen gehoben hatte, etwa um den bissigen Büttensänger Matthias Walz zu feiern, beim Schlusslied von Michl Müller mitzusingen oder um die Parodis zu verabschieden, deren Hauptprotagonisten schon bei der ersten Fastnacht in Franken vor 30 Jahren dabei waren.

Ob die TV-Prunksitzung auch Fernsehzuschauer vor Begeisterung aus ihren Sofas hochgerissen hat, vermag selbst die moderne TV-Forschung nicht zu registrieren. Einen Rekord brachte die Sendung in jedem Fall: 52 Prozent Einschaltquote in Bayern, durchschnittlich 4,47 Millionen Zuschauer bundesweit, eine halbe Million mehr als 2016. Zum Vergleich: Die Aachener Ordensshow "Wider den tierischen Ernst" und die "Karnevalskracher" brachten es in der vergangenen Woche auf gerade Mal 3,93, respektive 2,47 Millionen Fernsehzuschauer. Wohlgemerkt im ARD-Hauptprogramm.

Beim BR weiß man inzwischen um den Wert der fränkischen Narretei. Reinhard Scolik etwa bewies als Österreicher in seiner habsburgischen Kaiseruniform für einen BR-Fernsehdirektor nicht nur erstaunliche Selbstironie, sondern feierte mit dem harten Kern der fränkischen Fastnachter die Nacht durch. Ansonsten pusht der BR die TV-Prunksitzung über alle Kanäle. Schon das Eintreffen der Prominenz im Foyer der Mainfrankensäle wird inszeniert, roter Teppich und Altneihauser Feierwehrkapell'n inklusive. "God save the Queen" spielen die Oberpfälzer für Landtagspräsidentin Barbara Stamm; den als Samurai japanisch verkleideten Günther Beckstein begrüßen sie mit "Drei Chinesen mit dem Kontrabass".

Bauchredner Sebastian Reich hatte in Veitshöchheim seine Nilpferddame Amanda dabei. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der Ministerpräsident bekommt selbstverständlich den bayerischen Defiliermarsch. Wobei Horst Seehofer dieses Mal nach dem Aussteigen aus der Dienstlimousine erst einmal nach links abbiegt, um mit einer Handvoll Demonstranten zu sprechen, die im Nieselregen Plakate gegen den Nationalpark Steigerwald hochhalten.

Seehofer verkleidet sich stets als Seehofer. Andere Prominente versuchen bisweilen etwas krampfhaft, ihr Narrenkostüm als politische Botschaft aufzuladen. Etwa wenn die brave Sozialministerin Emilia Müller als Jeanne d'Arc eine Kämpferin für Frauenrechte sein will, Markus Rinderspacher sein kurzzeitiges Dasein als Freiheitsstatue zum Protest gegen Trumpismus erklärt oder Landesbischöfin Susanne Breit-Keßler irgendetwas Nettes über Europa sagt, nur weil sie ein blaues Kleid mit Sternchen trägt.

Bei anderen Politikern würde man gerne einen Psychologen befragen, ob nicht doch ein tief verankerter Wunschgedanke hinter dem Kostüm stecken könnte. Etwa wenn der konservative Würzburger OB Christian Schuchardt 100 Jahre nach der russischen Revolution als Lenin auftauchte, eine Rosa Luxemburg am Arm.

Markus Söder weiß, dass ein gutes Politiker-Kostüm vor allem eines muss: Gewaltig auffallen. 2012 schaffte er es als Punk sogar auf die Titelseite des Wall Street Journal. Als Homer Simpson wird er nicht einmal vom BR-Live-Reporter gleich erkannt, als er auf dem roten Teppich auftaucht. Wenig später wartet er im Saal auf Horst Seehofer. Der begrüßt erst einmal zig andere Menschen ringsum und tut so, als würde er den Unübersehbaren nicht sehen. Dann doch ein knapper Händedruck. Dabei mag Seehofer das Lächeln nicht recht gelingen. Bei Söder weiß man das nicht. Denn Homer Simpson hat immer ein breites Maul.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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