Unterschätzte Gefahren an der Isar:Risiken am reißenden Fluss

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Schilder weisen auf Lebensgefahr hin - trotzdem ist am Wochenende ein Mann in der Isar tödlich verunglückt. Seit der Fluss Badewasserqualität hat, lockt er noch mehr Menschen an. Einige davon nehmen die Gefahren des reißenden Flusses nicht Ernst. Dabei ist die Isar ein Event-Gewässer mit Risiken.

Ursula Ohliger und Andreas Schubert

An trockenen Sommertagen, wenn das Wasser niedrig steht und die sonst so Reißende an manchen Stellen einem größeren Bach gleicht, wirkt die Isar harmlos. Dass hier immer wieder Menschen ertrinken, wie jetzt am vergangenen Wochenende ein 36-jähriger Mann an der Wehranlage "Auer Düker", kommt einem kaum in den Sinn. Und genau das ist eine der Ursachen, dass sich Menschen immer wieder in Gefahr begeben, was schlimmstenfalls tödlich ausgehen kann.

Die Leute vergessen, dass die Isar ein Wildfluss ist. Das sagt einer, der den Fluss in- und auswendig kennt. Rolf Renner ist Sprecher der Isar-Allianz, eines Zusammenschlusses von Experten und Initiativen, die sich dem Naturschutz widmen. Außerdem ist Renner seit den 1950er Jahren Kajak-Fahrer. Er weiß, dass die Isar viele Gefahren birgt, die Laien auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. "Die Leute überschätzen sich zu sehr", sagt er.

Und außer der Unfallstelle vom Wochenende, wo der Verunglückte in einen Bewässerungstunnel für den Tierpark Hellabrunn gezogen wurde, sind es vor allem die Wehre mit ihren Wasserwalzen, die selbst geübten Schwimmern wenig Chancen lassen, wieder an die Oberfläche zu kommen.

"Im Prinzip gilt, dass überall, wo der Mensch in den Fluss eingegriffen hat, Gefahren entstehen", sagt Renner. Und er ist, wie er sagt, erschrocken über den Leichtsinn, mit dem manche sich ins Wasser begeben, Warnschilder ignorieren - oder wegen der puren Gaudi mit Schlauchbooten den Fluss hinabpaddeln, ohne das Boot richtig zu beherrschen, ohne die Gefahrenstellen einschätzen zu können, ohne Sicherheitsausrüstung.

Zum Abenteuerspielplatz mutiert

Seit das Wasser der Isar Badewasserqualität hat, ist der Fluss nachgerade zum Event-Gewässer mutiert. "Da gibt es Leute, die verleihen Schlauchboote, ohne ihre Kunden richtig in Sicherheit und Umgang mit dem Boot zu instruieren", kritisiert Renner. Er verweist auf die Gefahr, dass ein Wildfluss Treibholz führt, das Schlauchboote zerstören kann.

Außerdem gebe es Leute, die mit dem Schlauchboot das Flaucherwehr hinunterstürzten oder auch bei Hochwasser ihr Boot zu Wasser ließen oder gar zum Schwimmen gingen. "Bei Hochwasser empfehle ich jedem, den Fluss zu meiden", sagt Renner, der selbst schon einmal in eine Wasserwalze geraten ist, als ausgebildeter Kajak-Fahrer aber weiß, wie man aus diesem Strudel wieder herauskommt. Dass nun ein Bade- oder Fahrverbot auf der Isar verhängt wird, davon hält Renner nichts. "Man sollte den Menschen nicht ganz den Spaß nehmen, sie aber für die Gefahren sensibilisieren."

Ähnlich sieht das auch Rudolf Brettner, technischer Leiter der Kreiswasserwacht München. "Man versucht im Nachhinein, nach so einem tragischen Unfall, immer Verantwortliche dafür zu finden, aber so tragisch der Vorfall am Samstagabend auch war, in letzter Instanz ist eben jeder für sich selber verantwortlich", sagt Brettner. Aufgrund der unterirdischen Kanäle und der schnellen Fließgeschwindigkeit des Wassers ist das Baden im Isarkanal verboten, die meisten Badegäste in München halten sich auch daran.

"Wir haben im Bereich des Kanals noch keine Rettungseinsätze gehabt. Das allgemeine Badeverbot dort wird von den meisten befolgt", so Brettner. Auch Unglücksfälle habe es dort bisher nicht gegeben, weshalb Gitter oder andere bauliche Barrieren bislang nicht notwendig erschienen. "Da muss man immer schauen, was technisch möglich ist. In diesem Bereich fließt ziemlich viel Wasser", erklärt der Experte. Gitter vor den Kanälen könnten durch Treibholz schnell verstopft werden. "Ultima Ratio wäre eben, den Isarkanal einzuzäunen, aber dann würden bestimmt immer noch welche drüber klettern", sagt Brettner.

An der Wehranlage "Auer Düker" weisen mehrere Verbotsschilder auf das Badeverbot hin. Dies ist an sämtlichen Wehren der Isar der Fall, trotzdem verunglücken immer wieder Menschen. Und auch für die Helfer wird es dann riskant. "Die Retter gehen eine große Lebensgefahr ein. An der Stelle, an der der Mann am Sonntag ertrunken ist, herrscht eine irre Fließgeschwindigkeit, da kann man nicht einfach hinterher springen", so Brettner, der sich im Übrigen gegen ein totales Badeverbot in der Isar ausspricht.

"Man muss da differenzieren. Die Statistik sagt, wir haben in und um München jedes Jahr so acht bis 15 Ertrinkungsopfer." Mit so einer Zahl müsse sich eine Stadt wie München abfinden. Viele davon hätten einen suizidalen Hintergrund, die werde man nie verhindern können. Um zu vermeiden, dass in der Isar überhaupt irgendjemand ertrinkt, müsste man sie einzäunen. Aber das sei ein hoher Preis, nur weil ein paar Unvernünftige die Regeln nicht befolgten. Das sei auch nicht im Interesse der Renaturierung. Dennoch ist auch Brettner der Meinung, dass Unfälle wie jener am Sonntag verhindert werden könnten: "Wenn man ein paar Regeln befolgt, kann eigentlich fast nichts passieren."

Unsichtbare Gefahren, sichtbare Schilder

Dass man nicht betrunken oder bei Hochwasser schwimmen sollte, dass bekannte Gefahrenstellen zu meiden und Warnhinweise zu beachten sind, scheint Allgemeingut zu sein. Dennoch kümmern sich viele nicht um Verbotsschilder. Dass diese zu klein oder nicht eindeutig genug sein könnten, findet die Stadt München nicht.

"Momentan ist die Beschilderung an der Isar und auch an jener Stelle sehr deutlich und sehr ausgeprägt", betont Katrin Zettler vom Umweltreferat. Auch sie warnt davor, die unsichtbaren Risiken der Isar zu unterschätzen. "So tragisch der Unfall ist - deswegen werden die Verbotsschilder aufgestellt. Damit auch auf die Gefahren, die man von oben nicht sehen kann, hingewiesen wird", sagt Zettler.

© SZ vom 28.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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