Unter Bayern:Wahlkampf tut nicht weh

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Irgendwie weichgespült wirken Politiker derzeit, wenn sie zum Beispiel auf Geheiß eines Interessenverbandes auf einem Podium sitzen und diskutieren sollen

Kolumne von Franz Kotteder

Nein, es ist nicht so, dass man sich nach den Zeiten zurücksehnt, als Bayerns Politiker Mitglied im Verein für deutliche Aussprache waren und sich mordsmäßig was einbildeten auf ihre Kraftausdrücke und die angeblich "bayerische Art". Aber wenn man manche Wahlkampfauftritte so mitverfolgt, dann bekommt man eine Ahnung davon, warum das Ansehen der politischen Kaste nicht besonders hoch ist.

Am Mittwoch lud zum Beispiel der bayerische Hotel- und Gaststättenverband seine Mitglieder zum Wahl-Check in ein Münchner Kino ein, sechs Kandidaten von sechs Parteien sollten Rede und Antwort stehen. Was soll man sagen? Anscheinend wird das Leben für die bayerischen Gastronomen nach der Wahl ein Ponyhof oder wenigstens ein Selbstbedienungsladen, denn Widerspruch hörten sie praktisch keinen. Nur Eike Hallitzky (Grüne) fragte mal frech, ob der Verband etwa seine schwarzen Schafe decken wolle? Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer (CSU) sprach sich für seine Verhältnisse fast schon euphorisch für die vom Verband geforderte "flexible Wochenarbeitszeit" mit beliebig vielen Arbeitsstunden pro Tag aus. Hubert Aiwanger erinnerte sich wehmütig daran, dass man früher "tagsüber acht Stunden in der Kreissparkasse als Angestellte gearbeitet hat und abends dann noch fünf Stunden als Bedienung im Wirtshaus". Und fast alle waren sich einig, dass die Betriebsprüfer vom Finanzamt in Wirklichkeit Abgesandte des Leibhaftigen sind. Jedenfalls, wenn sie Gastronomen kontrollieren und nicht irgendwelche multinationalen Konzerne. Auch die Klage über den Fachkräftemangel traf auf offene Ohren, keinem auf dem Podium fiel ein, dass 13-Stunden-Schichten einen Job nicht attraktiver machen. Oder dass das Arbeitszeitgesetz schon seinen Sinn hat.

Jedenfalls tat man sich und dem Publikum lieber nicht weh. Dabei hat man als Zuschauer das Gefühl: Eigentlich wäre den Leuten eine klare Ansage doch viel lieber. Selbstbewusste Volksvertreter, die ihre Gesetze auch einmal verteidigen. Oder - anderes Thema - deutlich sagen, dass es eine Sauerei ist und keine lässliche Sünde, Ideologien zu verharmlosen, die schon zig Millionen Leben gekostet haben. Womöglich bringt das sogar mehr Stimmen als die elende Anbiederei?

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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