Unter Bayern:Madla, Mieder, Brauchtumspflege

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Mit der Tradition ist es so eine Sache. Wenn sie sich überholt, dann wird sie vielleicht zur Nostalgie. Oder es kommt gar nur noch ein Schmarrn heraus

Von Katja Auer

Kürzlich haben die Limmersdorfer ihre Lindenkirchweih gefeiert, die so besonders ist, dass sie zum immateriellen Kulturerbe zählt. Die Experten, die sie auszeichneten, würdigten das Fest in Oberfranken als "lokal verankerten und identitätsstiftenden Brauch, der von Generation zu Generation durch aktives Tun weitergegeben wird, und mit bestechenden Maßnahmen zur Erhaltung der Kulturform aufwartet".

Nun ist es gar nicht so einfach, einen Brauch weiterzugeben, ohne dass er sich eines Tages überholt oder dass ein Schmarrn draus wird. So fährt heutzutage kein Kammerwagen mehr durchs Dorf, wenn eine junge Frau ins Haus ihres Bräutigams einzieht, und sie muss auch nicht von früher Jugend an Bettwäsche und Leinen für die Aussteuer sammeln und Taschentücher mit Monogrammen besticken. Was ein Papiertaschentuch zudem unnötig aufwerten würde.

Für die Hochzeit selbst haben sich allerhand Bräuche erhalten, die Brautentführung zum Beispiel, die, so lautet wenigstens eine Interpretation, symbolisch für die starke Kraft der Ehe steht, weil der Mann seine Frau vor den Junggesellen rettet. Artet die Entführung freilich zu einem mehrstündigen Besäufnis fernab der Hochzeitsgesellschaft aus oder endet gar damit, dass die Braut nichts mehr wissen will von der starken Kraft der Ehe, ist es nicht mehr weit her mit der Tradition.

Es sei ein schmaler Grat zwischen Tradition und Nostalgie, sagt Veit Pöhlmann aus Limmersdorf, dessen Verein sich dem Erhalt der Kirchweihtradition verschrieben hat. Deswegen tragen die Platzmadla dort keine Trachten, die gibt es traditionell nicht. Sondern dezente Kleider, die - der Nostalgie wegen - ein wenig an solche erinnern. Soviel Spielraum sei zugestanden, wenn sich dafür ein Brauch über Jahrhunderte erhält.

Wenn nun allerdings die AfD gerade mit dem Slogan wirbt "Tradition bewahren" und auf dem dazugehörigen Plakat der Oberkörper einer jungen Frau zu sehen ist, eingezwängt in ein lila glänzendes Mieder, das vom Stoff her an einen Skianzug erinnert und von einem Reißverschluss zusammengehalten wird, da kann weder von Tradition noch von Nostalgie die Rede sein. Von Kultur ohnehin nicht. Das ist dann nur noch ein Schmarrn.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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