Unter Bayern:Im Land der Deppen

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Für so manchen reicht die natürliche Steigerung Depp-Knalldepp-Volldepp einfach nicht aus. Da muss es schon ein Obervolldepp sein

Von Hans Kratzer

Die Hauptattraktion der niederbayerischen Gemeinde Gottfrieding ist der Kreisverkehr, auf dem Kühe grasen. Zugegeben, es sind nur Kuh-Attrappen, die Gottfrieding auf diese Weise tierisch aufwerten. Das sehen nicht alle so. Neulich haben Unbekannte die künstlichen Kühe aus ihrer Verankerung gerissen und umgeworfen, weshalb sie schwer angeschlagen in den Dingolfinger Kreisbauhof verfrachtet wurden. Der Kuh-Kreisverkehr ist ein Herzensprojekt des Dingolfinger Landrats Heinrich Trapp. "Das hier müssen wirklich Obervolldeppen gewesen sein", schimpfte Trapp, dem die natürliche Steigerung Depp-Knalldepp-Volldepp nicht mehr genügte, um seinem Ärger Luft zu verschaffen. Deshalb rief er den Superlativ Obervolldepp ins Leben.

Dass Bayern ein Land der Deppen sei, wird in der übrigen Republik nicht bezweifelt, deshalb wird ein Bayer niemals Kanzler werden. Andererseits wäre Bayerns Aufstieg zur Supermacht ohne seine Deppen nicht denkbar. Sogar die Besten des Landes verhielten sich in jungen Jahren oft deppert, bevor sie zu edlen Charakteren reiften, wie der Fall des Karikaturisten Ernst Maria Lang belegt, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre.

In seinen Erinnerungen erzählt Lang aus seiner Oberammergauer Kindheit. Damals wurde sein Vetter beim Passionsspiel am Ufer des Mühlbachs als Christus auf zwei Bohlen geschnürt. Der Bub Lang hatte den Lanzenstich auszuführen - mit einem Haselstecken, aus dem ein Nagel ragte. Mit dem stach er zu, worauf der Jesus am Kreuz "Au, du Depp!" schrie, was so nicht im Text stand und dazu führte, dass das Kreuz in den Mühlbach stürzte, in dem der Vetter fast ertrunken wäre.

Die Bayern machten sich seit jeher gerne zum Deppen, vor allem um Touristen anzulocken, die sie als die wahren Deppen betrachteten, denen man das Geld aus der Tasche zog. Dieses Selbstverständnis reicht zurück bis ins Jahr 800, in dem ein bayerischer Mönch an den Rand einer Pergamenthandschrift kritzelte: "Stulti sunt Romani, sapientes sunt Paioari." Auf gut Deutsch: Die Römer sind Deppen, die Baiern sind gescheit. Vor diesem Hintergrund gebührt den Obervolldeppen vom Gottfriedinger Kreisverkehr zumindest das Verdienst, dass das Deppenwesen neu justiert werden muss.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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