Unter Bayern:Helden der Integration

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Beim Besuch einer Werkstatt kann man viel über Bayern und Afrika lernen

Kolumne von Sebastian Beck

Nur Männer sind dazu in der Lage, eine gleichermaßen tiefe wie erfüllende Partnerschaft mit ihrem Fahrzeug einzugehen. Werden beide gemeinsam älter, sehen sie sich nicht nur immer ähnlicher, sie leiden sogar unter gleichen Beschwerden. Wenn es zwickt und quietscht, dann weiß man nicht, ob man als erstes den Anatomieatlas aufschlagen soll oder in eines der Selbsthilfeforen geht, wo die Kompetenz Tausender etwa so gebündelt wird: Dieselmaier78: Mein Anlasser funzt nicht mehr. Tiefhartbreit: Holst Du Dir neuen. Megaflop: Starker Benzingeruch im Innenraum. Nichtbremser: Fenster auf beim Rauchen!

Irgendwann aber, um jetzt zum Thema Integration zu kommen, wird der Besuch in der Werkstatt fällig. Neulich beim Meister des Vertrauens (Symptom: Verlust von Kühlflüssigkeit), da wuchtete ein dürrer Kerl einen SUV-Reifen herum. Auf die Frage des Kunden, ob der Reifen nicht schwerer sei als der neue Mechaniker, antwortete der Meister des Vertrauens: "Des is a zacha Deife." Der Dürre ist ein Flüchtling aus Ostafrika, der viele Gefahren überstanden hat, um schließlich als Lehrling in einer Werkstatt zu landen, in der Eingeborene eine geheimnisvolle Sprache sprechen: "Hoiamoidobdruckbumbmausmkeller!" - "Chef, was is a Obruckbumbm?" -"Abdrückpumpe!" - "Adrückpumpm?" - "Ihoissäiwa."

Charakterlich sei der Bua voll in Ordnung, sagt der Meister des Vertrauens. Allerdings wolle er Anweisungen schon ausführen, bevor er sie verstanden habe. Das mit dem selbständigen Denken habe er drunten in Afrika eher weniger gelernt: "Wie sollst jetzt aus so jemandem einen Mechatroniker machen?" Den Kühlmittelverlust übrigens müsse man weiter beobachten, überhaupt sei die genaue Beobachtung des Fahrzeugs eine Tugend für sich. Beim nächsten Besuch (Beobachtung: Anlasser funzt nicht) grinst der Bub und sagt "Griasdi", bevor er weiter den Kofferraum aussaugt. Der Meister des Vertrauens stöhnt, er habe langsam das Gefühl, dass auf einen Flüchtling zwei Sozialarbeiter kommen. Jedenfalls: Der Bub und sein Chef, die sich seit Monaten so miteinander abmühen, verdienen mindestens so viel Anerkennung wie alle Migrationstheoretiker*Innen. Bald werden wir uns wieder sehen. Beobachtung: Abgasgeruch im Innenraum, Motor ruckelt.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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