Unter Bayern:Flüche, Arsch und Teufel

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Es gab eine Zeit, da kannte selbst das brutalste Gifthaferl Werte wie Selbstbeherrschung, Humor und Respekt. Davon ist nicht mehr viel übrig

Von Hans Kratzer

Als sich einst in einem bayerischen Dorf die folgende Geschichte zugetragen hat, da war es noch nicht üblich, seine Wut mit Hassmails, Bomben und Kalaschnikows an unschuldigen Menschen auszulassen. Selbst das brutalste Gifthaferl kannte Werte wie Selbstbeherrschung, Humor und Respekt. Und wenn der seelische Druck zu stark in die Höhe schnellte, dann hob es halt ab wie seinerzeit das HB-Männchen im Werbespot. Doch zurück zu unserer kleinen Geschichte. Sie zeigt uns einen aufgeweckten Knaben, der aufmerksam zuschaute, wie der Dorfpfarrer einen Nagel in die Wand schlug. Leider stellte sich dieser so ungeschickt an, dass er den Hammer schwungvoll auf den Daumen drosch. Schwer gebeugt vom Schmerz vernahm er den Kommentar des Buben: "Gell Herr Pfarrer, jetzt sollte man fluchen dürfen!"

Die Zeiten, in denen der Mensch aus Gottesfurcht auf raffinierte Ersatzflüche wie Sacklzement (Sakrament) ausgewichen ist, waren vorbei, als der von Ludwig Thoma erfundene Dienstmann Alois Hingerl, bekannt als Münchner im Himmel, sogar im himmlischen Paradies schimpfte wie ein Kesselflicker. Im daraufhin einsetzenden Fluch-Zeitalter konnte es gar nicht genug dampfen und krachen. Schnell griff die Sprache auf das Hinterteil über, das lange Zeit nur vornehm umschrieben und maximal als Allerwertester benannt werden durfte.

Nach den Regeln des Sittenverfalls war es nur eine Frage der Zeit, bis der Allerwerteste im öffentlichen Diskurs dem Wörtlein Arschloch weichen musste. Es überrascht keineswegs, dass die Schimpfwortforschung den schmutzigen Begriff unter die Top Drei des malediktischen Wortschatzes in Bayern und Österreich einreiht, flankiert von den Salonwörtern Depp und Idiot. Der Aufstieg der fäkalen Schimpfkultur wurde freilich auch befeuert durch das Lieblingswort der Deutschen, das mit Sch . . . beginnt und den hiesigen Sprachraum sogar in seiner englischen Form (shit) großflächig bereichert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass besonders die bildhafte Fäkalsprache bis zu den Verdauungsproblemen des Reformators Martin Luther zurückzuführen ist. Luther war überzeugt davon, er kämpfe auf dem Klo mit dem Teufel. Heute wären wir heilfroh, wenn uns die Teufel nur auf dem Klo begegneten.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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