Unter Bayern:Ein Hoch auf die Wurstsemmel

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Die Wurstsemmel hat zwar schon viele Menschen gesättigt, aber längst nicht den Ruhm erhalten, der ihr zusteht. Ein Lobpreis

Glosse von Hans Kratzer

Obwohl sich die Wurstsemmel im bayerischen Sättigungswesen herausragende Verdienste erworben hat, wird ihr nur selten jene Wertschätzung zuteil, die sie verdient hätte. In Passau haben neulich zwei Männer wie die Steinböcke gerauft, um ihren Streit über den öffentlichen Verzehr einer Wurstsemmel in Corona-Zeiten mit Gewalt zu lösen. Freilich besteht das Betriebssystem der Wurstsemmel nicht nur aus Blut, Schweiß und Tränen. Vor wenigen Tagen war auf einem Instagram-Filmchen der ruhmreiche Fußballer Sascha Mölders zu sehen. Nach dem letzten Spiel, in dem er wieder einmal den Siegestreffer für 1860 München erzielt hatte, machte er sich in der Küche sogleich daran, mit geübter Hand sechs Wurstsemmeln zuzubereiten. "Muss ja die verbrannten Kalorien wieder reinholen", hört man ihn sagen.

Mölders ist schon 35 Jahre alt, man nennt ihn den Methusalem von Giesings Höhen. Trotzdem gilt er bei den Fans mehr denn je als Fußballgott. An seiner Ernährung kann das nicht liegen, vermutet das Magazin 11 Freunde, denn das Video belegt, mit welcher Wonne sich der zur Korpulenz neigende Sportsmann die Wurstsemmeln einverleibt. Dabei gehört er einer Branche an, die sich an hageren Waschbrettbauchtypen berauscht und die Wurstsemmel verachtet. Franz Binder, der frühere Trainer des 1. FC Nürnberg, ließ sich von diesem Wahn noch nicht verrückt machen. Nachdem sich ein Spieler einen dicken Knöchel zugezogen hatte, schickte er ihn nicht zum Arzt, sondern in die Vereinsgaststätte. "Kauf dir eine dicke Wurstsemmel, dann geht's schon wieder", riet er ihm. Zwei Tage später war der Angreifer wieder fit.

Man darf die Dinge nicht zu schwer nehmen, das ist ein Leitmotiv der Wurstsemmel, und tatsächlich hat sie die Welt schon oft besser gemacht. Prinzregent Luitpold, der gerne im Allgäuer Gebirge auf die Jagd ging, spendierte dort an seinen Geburtstagen jedem Kind eine Wurstsemmel. Schon er wusste: Sie lindert Not und Pein in jeder Lebenslage. Vor fünf Jahren unterbrach Fußball-Schiedsrichter Wolf spontan die Hammelklassen-Partie Aufkirchen gegen Kottgeisering, um an einem Grill am Spielfeldrand eine Wurstsemmel zu bestellen. Er biss hinein und pfiff das Spiel frisch gestärkt wieder an. Welch ein Signal in dieser dunklen Zeit!

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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