Unter Bayern:Die innere Tundra nach der Wahl

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Journalisten haben monatelang auf einen Termin hingeschrieben. Jetzt ist es plötzlich sehr still geworden

Von Sebastian Beck

Vor den bayerischen Journalisten, die monatelang auf die Landtagswahl hingeschrieben haben, dehnt sich nun das Nichts aus. Eine innere Tundra, weiß und nebelverhangen. Es ist plötzlich auch so still geworden. Man glaubt durch den Nebel das Wort "Opfesaft" zu hören. Hallo, ist da wo Hubert Aiwanger? Hier ein Rascheln, dort in der Ferne ein Hüsteln. Und sonst nichts. Es erinnert ein wenig an die Zeilen der Liedermacherin Claudia Koreck: "I mach meine Aung zua, dann schlaf I ei/I bin jetzt über de Wolken/Und die Welt ziagt vorbei." So heißt es in ihrem Titelsong zum Kinofilm "Brandner Kaspar", in dem es allerdings mehr ums ewige Leben und weniger um die Landtagswahl geht.

Wahrscheinlich hat noch nie zuvor die Krise einer Regionalpartei so viel Aufsehen erregt. Sogar die New York Times schrieb über Markus Söder: "The Man They Call Germany's Trump." Söder, der deutsche Trump? Nichts für ungut, liebe NYT, aber man kann es auch übertreiben. Am Wahlabend drängten sich im Münchner Maximilianeum tausend Journalisten, das sind fünf pro Abgeordnetem. Die Bayernredaktion der SZ erreichten Interviewanfragen aus Brüssel, Stockholm, Doha und sogar vom NDR. Dabei muss man wissen, dass Bayern von überschaubarer Ausdehnung ist, es hat zusammen ungefähr so viele Einwohner wie die brasilianische Metropole São Paulo. Entsprechend sind auch bayerische Krisen, sogar wenn sie die CSU oder den FC Bayern betreffen, größenmäßig etwas limitiert und irgendwann auserzählt. So, und jetzt?

Nun gut, es gibt noch CSU-Chef Horst Seehofer, bis er zurücktritt, schwelt eine Art Mini-Krise weiter. Wenn er dann weg ist, könnte die nächste Groß-Krise in Berlin ausbrechen und auf München übergreifen. Dann stehen schon wieder die Europawahlen bevor und damit die Frage, wie sich die ganzen Krisen auf das Wahlergebnis der CSU auswirken. Könnte ein schlechtes Abschneiden der Partei nicht eine Krise heraufbeschwören? Würde das nicht zwangsläufig irgendwas infrage stellen, und zwar ganz grundsätzlich? Und sollte man da nicht heute schon einen Vorbericht machen? Wahrscheinlich schon. Aber bis Montag gilt das Motto: "Ois is so stad, so gmiadlich und warm/ I lieg in da Wiesn, unter am Bam."

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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