Unter Bayern:Die Erosion der CSU

Lesezeit: 1 min

Gillamoos-Besucher vor Plakaten der AfD in Abensberg. (Foto: REUTERS)

Vom einstigen Selbstbewusstsein der Partei ist nichts mehr übrig geblieben

Kolumne von Sebastian Beck

Gut einen Monat vor der Landtagswahl befindet sich die CSU in einem Zustand, in dem sie einem fast leidtun kann. Vom einst dröhnenden Selbstbewusstsein der Partei, von ihrer ganzen Überheblichkeit, mit der sie über Bayern herrschte, ist nichts übrig geblieben. Im Gegenteil, wer mit Abgeordneten über die Stimmung auf dem Land spricht, der bekommt Erlebnisse geschildert, die nicht nur Parteianhänger schaudern lassen: Merkel und Flüchtlinge, das sind die beiden Themen, die alles andere überlagern. "Wir können tun, was wir wollen", fasst eine Abgeordnete die Lage zusammen, wenn sie mit AfD-Sympathisanten redet, kommt meist eins zurück: "Du kannst mich mal."

Seit der verlorenen Bundestagswahl vor einem Jahr hat sich die Stimmung eher noch verschärft und weiter gegen die CSU gedreht. Dass die Staatsregierung auf etlichen Feldern erfolgreiche Politik betrieben hat - die Heerschar der Beleidigten interessiert das alles nicht: Die Flüchtlingskrise im Herbst 2015 und Merkels "Wir schaffen das" hat bei der konservativen CSU-Klientel ähnliche Spuren hinterlassen wie einst die Agenda 2010 bei den Linken in der SPD.

Das anfängliche Gefühl der Bedrohung und der Ohnmacht angesichts der Flüchtlinge ist bei vielen Menschen der Verachtung gewichen. Das schließt auch Politiker der CSU mit ein, die sich selbst stets als Sensoren des demokratischen Systems betrachtet haben. Sie müssen sich vorhalten lassen, dass sie zwar dauernd gegen die verhasste Kanzlerin gestänkert hätten, um am Ende doch vor ihr zu kuschen. Das gilt insbesondere für Parteichef und Innenminister Horst Seehofer, dessen erratische Äußerungen zu den Vorgängen in Chemnitz auch bei den eigenen Leuten für Entsetzen sorgen.

Der Verdruss über Merkel, ihre Flüchtlingspolitik und die CSU führt in der Konsequenz dazu, dass demnächst eine Partei in den Landtag einziehen wird, die in ihrer Wut fast alles zerschlagen will, was dieses Land nach 1945 ausgezeichnet und groß gemacht hat - allen voran Toleranz und Mäßigung. Deren Klientel scheint das nicht zu stören: "Ich wähle jetzt AfD!", bekam ein CSU-Politiker von einem Bekannten zu hören. Ob er deren Programm gelesen habe? Nein, gab der Mann zurück, das sei ihm völlig wurscht.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: