Unter Bayern:Das Kreuz mit dem Ischias

Lesezeit: 1 min

Der Wahlkampf ist anstrengend, das ist es hilfreich, wenn die Politiker mit einer guten gesundheitlichen Verfassung gesegnet sind. Zwickt es doch, kann ein ordentlicher Schluck Bier helfen. Das wusste schon Lenin

Kolumne von Hans Kratzer

Aus der Warte der Physiotherapie verläuft der Wahlkampf in Bayern ruhig und zufriedenstellend. Die Politiker meistern den Stress an den Infoständen und in den Bierzelten mit einer soliden Robustheit. Auch der Ischiasnerv erweist sich quer durch die Parteien als stabil, er plagt und hemmt lediglich den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Mit der Politik in Europa ist es halt ein besonderes Kreuz. Die letzte große Ischiasattacke in den Reihen der Staatsregierung hatte vor längerer Zeit die arme Ilse Aigner ereilt. Justament, als sie Energieministerin war, kam der Energiefluss in ihrem Rücken ins Stocken. Zum Glück fand Aigner rasche Linderung. Nachdem sie auf dem Nockherberg einen kräftigen Schluck Salvator zu sich genommen hatte, lachte sie schon wieder herzlich, das Starkbier hat geholfen.

Gewiss ist auch das kräftige Wiesnbier als Heilmittel geeignet. Unter medizinischen Gesichtspunkten ist die Anhebung der Apothekerpreise für die Wiesnmass jederzeit gerechtfertigt. Die therapeutischen Qualitäten des Münchner Bieres kannte schon der Revolutionär Lenin, der im Hofbräuhaus gerne seine drei Mass Bier trank und, soweit es sein Ischias zuließ, die Kellnerin betätschelte. Nie hat es in Moskau eine revolutionäre Phase ohne Hexenschuss gegeben.

Nachdem das Experiment Sowjet-Bayern im Frühjahr 1919 voll in die Hose gegangen war, kamen aber auch den Kommunisten Zweifel an der Heilkraft des Bieres. Dabei hatten die Revolutionäre das dunkle Gebräu eh schon mit einer Limonade gestreckt, die Russenmass sollte sie weniger müde machen. Genützt hat es nichts, die Räterepublik war nur eine kurze Episode der bayerischen Geschichte.

Heute kurieren russische Oligarchen und Ölbarone ihre Rückenleiden in den oberbayerischen Kurzentren aus, wobei sie sich viel Zeit nehmen. Die übrige Kundschaft ist unter dem Einfluss Brüssels und des Bauernverbands auf Effektivität getrimmt. Kürzlich bedurfte ein Landwirt einer Behandlung am linken Fuß. Der Aufforderung, auch den rechten Strumpf auszuziehen, kam er nicht nach. "Weil der is ned hergricht", sagte der gute Mann zum Therapeuten. Den linken Fuß hatte er gewaschen, den rechten nicht. Aus der Sicht Lenins handelte der Patient zumindest politisch korrekt.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: