Uni Würzburg:Jobsharing auf Lehrstuhl

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Ildikó Gágyor und Anne Simmenroth sind ein eingespieltes Team. (Foto: Daniel Peter/oh)

Zwei Ärztinnen teilen sich die neue Professur für Allgemeinmedizin - das Modell erregt Aufsehen

Von Claudia Henzler, Würzburg

Für Professor Matthias Frosch, Leiter der medizinischen Fakultät in Würzburg, gehört die Besetzung eines Lehrstuhls zum Arbeitsalltag. Mehr als 40 Mal hat er das in seiner Zeit als Dekan schon gemacht. Diese Bewerbung überraschte ihn dann aber doch - und weckte seine Neugierde. Zwei befreundete Ärztinnen hatten ihr gemeinsames Interesse am neuen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin bekundet, sie wollten sich die Stelle teilen. Ein Modell, das noch immer als exotisch gilt. "Ich habe so etwas noch nie gesehen und fand es ausgesprochen attraktiv, so etwas zu probieren", sagt Frosch.

Seit Anfang des Jahres bauen die Allgemeinmedizinerinnen Ildikó Gágyor und Anne Simmenroth nun den neuen Lehrstuhl auf. Beide sind Jahrgang 1968 und kennen sich schon aus ihren Studientagen in Göttingen, wo sie im selben Familienwohnheim lebten. "Wir haben beide im Studium Kinder bekommen, was damals noch untypisch war", erzählt Simmenroth. So mussten sie schon früh nach ungewöhnlichen Lösungen suchen. Nach dem Examen trennten sich ihre Wege zunächst, bis sie Anfang des Jahrtausends am Institut für Allgemeinmedizin in Göttingen wieder zusammenfanden und schließlich entschieden, den nächsten Karriereschritt gemeinsam anzugehen.

Ihre unterschiedlichen Erfahrungen wollen die beiden nun in Würzburg einsetzen. Simmenroth, die in Göttingen am Aufbau der Lehrklinik beteiligt war, wird sich schwerpunktmäßig um die Lehre kümmern. Gágyor, die viel Erfahrung mit klinischen Studien hat, hauptsächlich um Forschung. Strikt soll die Trennung aber nicht sein, die beiden Professorinen wollen sich ergänzen und vertreten. Und beide wollen sich in Würzburg Praxen suchen, in denen sie einen oder zwei Tage pro Woche mitarbeiten. "Die echte hausärztliche Versorgung findet in der Praxis statt", betont Gágyor. Sie schätze es, die Organisation und Entscheidungen am Lehrstuhl mit jemandem teilen zu können und dadurch die Freiheit zu haben, Zeit mit den Patienten zu verbringen.

Mit der Idee, sich zusammen auf einen Lehrstuhl zu bewerben, haben die Ärztinnen nicht überall offene Türen eingerannt. An zwei Universitäten seien sie noch nicht mal eingeladen worden, um ihr Konzept vorzustellen, berichten sie. In Würzburg hieß es dagegen sofort: "Wie interessant."

Dekan Frosch sagt, dass ihn gerade das von Gágyor und Simmenroth vorgestellte Modell sofort überzeugt habe. Der deutsche Wissenschaftsrat habe ja schon länger dafür geworben, Leitungsfunktionen zu teilen. Dabei sei es jedoch darum gegangen, die Leitung zu trennen in Krankenversorgung einerseits und Forschung und Lehre andererseits. "Das ist eigentlich nicht die universitäre Forschung, wie sie mir vorschwebt", so Frosch. "Die Lehre muss sich aus der Krankenversorgung ergeben." Dass seine Universität mit diesem innovativem Besetzungsmodell in der Branche Aufsehen erregt, ist dabei kein Schaden. Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml kommentiert die neue Doppelspitze übrigens positiv: "Ein Arbeitszeitmodell, das ganz dem aktuellen Trend vieler Ärztinnen und Ärzte entspricht."

Die Würzburger Berufung ist allerdings nicht nur deswegen bemerkenswert. Denn der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin ist überhaupt erst der vierte in Bayern - nach denen an den beiden Münchner Universitäten und in Erlangen. Bisher gab es an der medizinischen Fakultät in Würzburg nur einen sogenannten Lehrbereich für Allgemeinmedizin. Die Studierenden konnten dort die Veranstaltungen besuchen, die man zur Basisausbildung braucht. Die Möglichkeit zu promovieren war nicht gegeben, auch keine eigene Forschung. Mit der Aufwertung reagiert die Universität auf bundesweite Pläne, das Medizinstudium zu verändern, um mehr Hausärzte zu gewinnen. Mit dem "Masterplan Medizinstudium 2020" soll die Allgemeinmedizin gestärkt und zu einem verpflichtenden Prüfungsfach für alle Studierenden werden. Zusätzliches Geld bekomme die Universität dabei übrigens nicht, sagt Medizin-Dekan Frosch.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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