Trauerfeier für ermordeten Polizisten:"Wir sind fassungslos"

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Augsburg trägt Schwarz: Zehn Tage nach dem Mord an einem Polizisten nehmen mehr als 2000 Menschen bei der Trauerfeier Abschied von dem Familienvater. Noch immer weiß kein Augsburger, ob die Täter in ihrer Straße wohnen oder nicht - die Polizei hat bis heute keine heiße Spur.

Stefan Mayr, Augsburg

Alexander Fitz kannte Mathias Vieth persönlich. "Sein Lächeln und sein freundliches Wesen waren wirklich unverwechselbar", sagt der Polizeihauptkommissar. Sein Kollege Vieth, 41, wurde am 28. Oktober bei einem nächtlichen Einsatz niedergeschossen und starb noch am Tatort.

"Ruhe in Frieden, Kollege" steht auf einer Grabkerze. In Augsburg nehmen mehr als 2000 Menschen Abschied von dem ermordeten Polizisten.  (Foto: dapd)

Fitz, nur ein Jahr jünger als sein toter Kollege, nahm am Montag am Trauergottesdienst im Augsburger Dom teil. "Ich bin sehr betroffen, erstens weil er ein sehr freundlicher Kollege war", sagt Fitz und schluckt. "Zweitens holt uns diese Tat wieder in die Realität zurück, denn die meisten von uns sagen immer: So was kann mir nicht passieren." Nun ist es eben doch passiert, und nicht etwa in einer Millionenstadt wie Berlin oder New York - sondern im Naherholungsgebiet Augsburgs. Zehn Tage sind vergangen, seitdem der Vater zweier jugendlicher Söhne bei einer Routinekontrolle sein Leben lassen musste.

Seit zehn Tagen sind die zwei Täter auf der Flucht, und keiner der 260.000 Augsburger Bürger weiß, ob die Täter in ihrer Straße wohnen oder nicht. "Wir sind fassungslos vor dem Leid der Angehörigen, die weiterleben müssen und oft nicht wissen, wie es weitergehen soll", sagte Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa am Montag im überfüllten Augsburger Dom.

Unter den 2000 Menschen, die dem Gottesdienst teilweise nur im Stehen folgen konnten, waren auch die Witwe, die Eltern und die Söhne des getöteten Beamten. Die Familie wird rund um die Uhr vom psychologischen Dienst der Polizei betreut. "Ein Beamter ist immer in der Wohnung", berichtet ein Polizeisprecher. Im Dom anwesend waren auch Polizei-Abordnungen aus Baden-Württemberg und Berlin sowie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er würdigte Mathias Vieth als "besonders hilfsbereiten, bescheidenen und sympathischen" Beamten: "Er hinterlässt eine große Lücke."

Auch auf den Straßen Augsburgs war der Tod des Polizisten am Montag noch einmal präsent: Alle staatlichen Dienstgebäude waren trauerbeflaggt, die Busse und Straßenbahnen der Augsburger Stadtwerke hielten am Montag um 15 Uhr für eine Schweigeminute an. Bereits am Sonntag hatte es im Fußballstadion eine Trauerminute gegeben. Dabei war es in der ausverkauften Arena still wie in einer Kirche, zu hören war nur das Rauschen der nahen Bundesstraße B 17.

Sowohl die Bundesliga-Profis des FC Augsburg als auch des FC Bayern München spielten mit schwarzen Armbinden. Die Fans des FC Bayern entrollten allerdings ein polizeikritisches Spruchband: "Wir stören keine Trauerminute", war darauf zu lesen, "aber wo sind die für Eisenberg & Co - Ihr Heuchler." Der Student Tennessee Eisenberg war im Jahr 2009 in Regensburg von zwölf Polizeikugeln getötet worden. Im Fall des Augsburger Polizisten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Mord. "Die erste Woche nach der Tat ist die wichtigste", sagten die Ermittler der 40-köpfigen Sonderkommission "Spickel" am Tag nach den tödlichen Schüssen.

Jetzt, nach zehn Tagen, hat die Polizei immer noch keine heiße Spur. Die Soko wurde auf 50 Mann aufgestockt, am Mittwoch wird der Fall in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY ungelöst" ausgestrahlt. "Es müssen sehr viele Spuren ausgewertet werden, das ist ein Riesenaufwand", sagt Hauptkommissar Alexander Fitz. "Die Kollegen sind nach wie vor hochmotiviert und arbeiten teilweise rund um die Uhr", betont er.

Zu den Spuren gehören inzwischen mehrere DNS-Fingerabdrücke - ein Abgleich mit der Polizei-Datenbank ergab aber keine Treffer. Neuerdings hat die Polizei einen Anrufbeantworter freigeschaltet (0821-3499335), auf den man anonym Hinweise sprechen kann. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Täter aus Kreisen der organisierten Kriminalität stammen. Die Kollegen auf der Straße haben relativ schnell wieder zur Normalität zurückgefunden", berichtet Alexander Fitz vom Berufsalltag . Von einer "Angst" der Streifenbeamten will er nicht sprechen, aber von gesteigerter "Vorsicht". Der Einsatz der Schutzwesten sei nicht gestiegen, so Fitz: "Viele Kollegen haben die auch schon vorher getragen - auch ich."

Der Gottesdienst war noch nicht beendet, da erhöhte das Polizeipräsidium Augsburg die Belohnung für Hinweise, die zur Aufklärung führen, von 10.000 auf 55.000 Euro. Vor dem Dom lagen mehrere Kondolenzbücher aus. Dort hat jemand ein Bibelzitat niedergeschrieben - und ergänzt: "Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Leben einsetzt für seine Freunde (und für uns Bürger)". Ein anderer Bürger hat nur zwei Wörter eingetragen: "Eine Tragödie."

© SZ vom 08.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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