Tod im Seniorenheim:Pflegerin von Mordvorwurf freigesprochen

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Beihilfe zum Suizid oder Mord? Eine Pflegerin hat ihrer Patientin einen Giftcocktail gemischt. Was dann im Zimmer geschah, ist unklar. Obwohl Schmuck der alten Dame im Wert von 10.000 Euro bei der Angeklagten auftauchte, bezweifelt das Gericht die Tötungsabsicht - und spricht sie vom Mordvorwurf frei.

Von Andreas Salch

Martha K., von Beruf Zahnärztin, wurde 81 Jahre alt. Als sie merkte, dass sie an Demenz zu leiden begann, bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie wollte ihren Lebensabend nicht willenlos im Bett einer Pflegeeinrichtung dahindämmern. Zuletzt lebte sie in der Seniorenresidenz Villa Bruneck in Kreuth (Landkreis Miesbach). Dort wurde sie am frühen Abend des Pfingstsonntags 2012 tot in ihrem Zimmer gefunden. War es Suizid oder Mord? Im Zuge der Ermittlungen geriet die Pflegerin Andrea T. ins Visier der Fahnder. Sie soll der Seniorin mit Gewalt einen tödlichen Medikamentencocktail eingeflößt haben.

Gegen die 42-Jährige erging Anklage wegen Mordes. Doch von diesem Vorwurf sprach sie die Schwurgerichtskammer am Landgericht München II am Montag frei. Die Kammer habe sich "keine Überzeugung hinsichtlich eines Tötungsdeliktes bilden können", sagte der Vorsitzende, Richter Martin Rieder, bei der Urteilsbegründung.

Martha K. war Anfang Oktober 2011 in die Seniorenresidenz in Kreuth eingezogen. Der stellvertretende Pflegedienstleiter hatte sie gewarnt, sollte sie Suizidabsichten äußern, werde er sie in die Psychiatrie einweisen lassen. Dort wollte Martha K. keinesfalls hin. Nachdem sie 2010 zweimal versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, war sie jeweils für einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden. Nur der Pflegerin Andrea T. soll sie in Kreuth anvertraut haben, dass sie wegen ihr beginnenden Demenz und den Depressionen nach wie vor an ihrem Plan festhalte, sich das Leben zu nehmen. Da die alte Dame Andrea T. vor ihrem Tod Schmuckstücke aus ihrem Besitz mit einem Wert von knapp 10 000 Euro aus ihrem Besitz vermacht hatte, geriet die Pflegerin in Verdacht, die Senioren ermordet zu haben. Den Schmuck hätte die 42-Jährige nicht nehmen dürfen. Unter anderem, weil Martha K. in Finanzfragen unter Betreuung stand. Damit lag für die Staatsanwaltschaft das Motiv für einen aus Habgier begangenen Mord vor.

Da Rechtsmediziner zudem an der Leiche der Seniorin eine zwei Millimeter kleine Verletzung an der Nase sowie eine Hautverfärbung an der Oberlippe feststellten, ging die Anklage davon aus, dass Martha K. der Medikamentencocktail mit Gewalt verabreicht worden sein müsse.

Da Andrea T. den Schmuck nach dem Tod von Martha K. versteckt hatte, machte sie sich verdächtig. Es spreche viel dafür, so Staatsanwalt Florian Gliwitzky, dass Martha K. der Angeklagten den Schmuck tatsächlich geschenkt habe. Dass es zunächst Zweifel an dieser Version der Angeklagten gegeben habe, das habe die 42-Jährige selbst zu verantworten. Denn sie habe "mehr als einmal die Unwahrheit" gesagt. Ob Andrea T. die Seniorin in deren Zimmer ermordet habe, sei nicht zu beantworten. "Wir können nicht sagen, was passiert ist", sagte Gliwitzky und ließ den Vorwurf des Mordes fallen. Gleichwohl gebe es starke Indizien, dass die Angeklagte Martha K. "tatkräftig" half, zu sterben. Doch dass sie ihr den tödlichen Cocktail aus schlaffördernden Präparaten und dem Betäubungsmittel Lidocain gegen deren Willen zu trinken gab, sei nicht nachweisbar. Andrea T. hatte lediglich eingeräumt, die Ampullen mit Lidocain auf eine Spritze gezogen zu haben. Anschließend habe Martha K. den Inhalt in eine Flasche gespritzt. Auch wenn sich die Pflegerin mit dem, was sie vorgibt getan zu haben, nicht strafbar machte, befand sich auf einem schmalen Grat. Eine Verurteilung wegen Tötens auf Verlangen schloss das Gericht ebenfalls aus. "Es bleiben erhebliche Zweifel, was tatsächlich passiert ist", sagte Richter Rieder. Er verurteilte Andrea T. somit wegen Unterschlagung des Schmucks und unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren.

© SZ vom 21.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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