Gurgelndes, bräunliches Wasser, das mal träge vor sich hinfließt, dann plötzlich mächtige Gesteinsblöcke umtost, brusthohes Gestrüpp am Ufer, durch das kein Pfad hindurchführt, und dunkler Fichtenwald, der sich die steilen, felsdurchsetzten Abhänge hinaufzieht: Das Bärenloch südöstlich von Teisnach ist eine urtümliche Flusslandschaft, wie man sie sogar im Bayerischen Wald selten antrifft. Seit Jahrhunderten liegt sie so unberührt da, wie sie der Schwarze Regen geformt hat. Kein Haus, keine Straße und keine andere Spur von Zivilisation, so weit das Auge reicht. Nur der Schwarze Regen und Fichtenwälder. Die Einheimischen nennen das Bärenloch gerne Bayerisch-Kanada.
Das Bärenloch ist denn auch ein Refugium für seltene Wildtiere, den türkisfarbenen Eisvogel etwa und die unscheinbare Wasseramsel, den Fischotter und den Biber. Der wahre Reichtum von Bayrisch-Kanada liegt aber unter Wasser. "Es dürfte kaum einen zweiten Flussabschnitt mit einem vielfältigeren Fischreichtum geben im Freistaat als den Schwarzen Regen hier", sagt Max Jakobus. "Und zwar mit einem komplett natürlichen, der ohne jeden künstlichen Besatz auskommt." Jakobus ist Biologe und studiert die Fischfauna im Bärenloch seit 16 Jahren. "Hier lebt das gesamte heimische Spektrum", sagt er. "Es fehlt keine Fischart."
Allen voran sind es die Bachforellen und Äschen, die sich in dem klaren, nahrungsarmen Flusswasser des Schwarzen Regen so richtig wohlfühlen. Aber auch silbernfarbene Schneider, gelb-bräunliche Elritzen und rundliche Gründlinge leben hier in großen Schwärmen. Und Aiteln und Barben, die beide zur Familie der Karpfenfische gehören und hier sehr groß werden können. Jakobus hat im Bärenloch schon knapp 60 Zentimeter große Barben gesichtet und Aitel, die mehr als einen halben Meter lang waren. Die zwölf bis 16 Zentimeter kleine Bachschmerle, die am Flussboden lebt und dort den Kies oder Sand nach Kleinkrebsen und anderer Nahrung durchwühlt, kommt ebenfalls vor.
Jakobus' größter Stolz freilich sind die Huchen, die Mühlkoppen und die Bachneunaugen im Bärenloch. Die drei Arten könnten verschiedener nicht sein. Der Huchen ist der König der Flussfische in Bayern, kein Fischer, der nicht wenigstens einmal einen kapitalen Huchen fangen möchte. Sein lang gestreckter Körper, der mächtige Kopf und das riesige, mit kräftigen Zähnen bewehrte Maul, das bis hinter die Augen reicht, machen den Raubfisch zu einer majestätischen Erscheinung. Zumal Huchen bis zu eineinhalb Meter lang und 30 Kilogramm schwer werden können.
Unberührte Flusslandschaft: Das Bärenloch nahe Teisnach.
Der Huchen.
Die Äsche.
Der Aitel.
Die Bachforelle.
Mühlkoppen dagegen sind aus Sicht der Fischer wenig interessant. Die kleinen Fische mit dem auffälligen keilförmigen Körper und dem breiten Maul sind schlechte Schwimmer. Das liegt daran, dass ihnen die Schwimmblase fehlt. Deshalb halten sie sich auch stets am Flussboden auf. Bachneunaugen wiederum sehen ähnlich aus wie kleine Aale. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie im Larvenstadium. Es kann bis zu fünf Jahre dauern. Die Elterntiere sterben bereits nach der ersten Eiablage und Besamung.
So verschieden die drei Arten also sind, sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind sehr selten in Bayerns Flüssen und Bächen. Der Grund: Sie fühlen sich nur in sehr naturnahen und unverbauten Flussstrecken wie im Bärenloch wohl. Das sind aber keine zehn Prozent der Gewässer mehr in Bayern. Alle anderen sind im Lauf der Zeit begradigt worden. Oder man hat Wehre in sie hineingebaut und Dämme an ihren Ufern errichtet. So hat man den Fischen ihre Lebensräume genommen. Deshalb stehen fast 80 Prozent der heimischen Arten auf der Roten Liste.
Dass Huchen, Mühlkoppe, Bachneunauge und so gut wie alle anderen heimischen Flussfischarten ausgerechnet im Bärenloch vorkommen und zwar reichlich, hat aber auch mit dem Vogelschutzbund LBV zu tun. Ja, genau mit dem Vogelschutzbund. Denn der hat vor 16 Jahren das Fischereirecht für den sechs Kilometer langen Flussabschnitt gekauft. "Viele meinen ja, für uns hört der Artenschutz an der Wasseroberfläche auf", sagt der LBV-Mann Andreas von Lindeiner dazu. "Aber wir haben schon damals in einem ganz umfassenden Sinne Naturschutz betrieben." Deshalb hat der LBV zugegriffen, als das Fischereirecht am Bärenloch zum Verkauf stand.
Das Ziel der Vogelschützer: "Wir wollten zeigen, wie reich unsere Bäche und Flüsse an Fischarten sein können, wenn man sie lässt", sagt Lindeiner. Also stellte der LBV im Bärenloch sofort die Fischerei ein, aber auch den Einsatz von Jungfischen, wie er an den meisten Flüssen und Bächen üblich ist. Auch ansonsten achtet der Verband darauf, dass das Bärenloch seine Urtümlichkeit bewahrt. Das Ergebnis nötigt sogar Fischern Respekt ab. "Das Bärenloch ist ein herausragendes Fischgewässer hier in Bayern", sagt Sebastian Hanfland. Das Wort hat Gewicht. Hanfland ist Geschäftsführer des Landesfischereiverbands.