Internetzugang für Flüchtlinge:Kampf um Anschluss

Internetzugang für Flüchtlinge: Es braucht keine Extra-Fläche, nur einen Wlan-Anschluss, sagen die Betreuer. Für die Flüchtlinge bietet das Internet einen Kontakt zu ihren Familien.

Es braucht keine Extra-Fläche, nur einen Wlan-Anschluss, sagen die Betreuer. Für die Flüchtlinge bietet das Internet einen Kontakt zu ihren Familien.

(Foto: Catherina Hess)
  • Viele Flüchtlinge sind auf das Internet angewiesen, um mit ihren Familien in der Heimat zu kommunizieren oder sich Informationen über Behörden zu verschaffen.
  • Die Behörden wollen allerdings "aus haushalts- und haftungsrechtlichen Gründen" kein Wlan bereitstellen.
  • Eine Gruppe von Ehrenamtlichen kämpft in Taufkirchen an der Vils für einen Anschluss für Flüchtlinge aus Eritrea.

Von Lisa Böttinger, Taufkirchen an der Vils

Herrmann Schrägle hat alles versucht. Er hat Briefe an das Landratsamt seiner Heimatstadt Taufkirchen an der Vils geschrieben, mit Internetfirmen telefoniert, mit dem Bürgermeister gesprochen. "Ich komme mir vor wie ein Pionier", sagt Schrägle. Dabei will er nur einen Internetanschluss organisieren - jedoch nicht für sich, sondern für eine Gruppe eritreischer Flüchtlinge. Gemeinsam mit acht anderen Taufkirchnern unterstützt er die in Winkl untergebrachte Gruppe. Ehrenamtlich. Mit 72 ist der pensionierte Lehrer mittlerweile Experte für Wlan-Anschlüsse, notgedrungen.

Denn die Regierungsstellen und Landratsämter, die für Flüchtlingsunterkünfte verantwortlich sind, wollen "aus haushalts- und haftungsrechtlichen Gründen" kein Wlan bereitstellen. Ohne das Engagement von Ehrenamtlichen wie Herrmann Schrägle wären Asylbewerber oft ohne Verbindung zur Außenwelt - oder müssten sie teuer bezahlen. Dabei ist das Internet gerade für Flüchtlinge wichtig, "um Nachrichten zu lesen, Behörden zu finden oder einfach nur, um per Skype ein Lebenszeichen in die Heimat zu senden", sagt Ben Rau vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Das Problem: Wer haftet für illegale oder kostenpflichtige Downloads?

Wie ein nasses Stück Seife, das niemand richtig zu fassen bekommt: So beschreibt Volker Werbus seine Versuche, bei den Behörden Internet für Flüchtlinge durchzusetzen. Werbus hat den Verein "Refugees Online" gegründet. Wie Schrägle will der Gilchinger Flüchtlinge mit dem versorgen, was ihnen in Deutschland oft am meisten fehlt: Anschluss.

"Auf den Ämtern denken immer alle, für Internet müsse man Fläche zur Verfügung stellen und Computer kaufen, dafür gibt es natürlich keine Budgets. Aber wir brauchen gar keinen Platz", sagt Werbus, der in der Erstaufnahmeeinrichtung Fürstenfeldbruck und in Germering Wlan-Hotspots eingerichtet hat. Dazu muss er nur einen Wlan-Access-Point an die Wand schrauben. Der Rest funktioniert mit mobilen Geräten: "Die Leute passen auf nichts so gut auf wie auf ihr Smartphone, weil das ihre Verbindung zur Außenwelt ist", sagt Werbus. Eine Prepaid-Karte könnten sich aber viele nicht leisten: "Es geht darum, Leuten, die sowieso traumatisiert sind, das Kommunikationsmittel Internet zur Verfügung zu stellen, ohne dass sie gleich die Hälfte ihres Taschengelds für Internetkarten ausgeben müssen."

In Deutschland gilt das Prinzip der Störerhaftung. Das heißt, wer einen Wlan-Hotspot anbietet, haftet auch für eventuelle illegale oder kostenpflichtige Downloads. Darauf berufen sich bisher auch die Regierungen und Landratsämter, wenn sie Internetzugang verbieten.

Der Elektroingenieur Werbus hat eine Lösung gefunden, das Haftungsproblem zu umschiffen: In Fürstenfeldbruck und Germering bekommen Flüchtlinge einen Zugangscode, wenn sie sich für die Internetnutzung identifizieren: Der Code entspricht der Nummer ihrer Yellow-Card, einer Art Ausweisdokument mit Foto, das jeder Flüchtling bei der Erstaufnahme bekommt. So können Werbus und seine Mitarbeiter genau nachvollziehen, wer sich wann wo ins Netz einloggt. Infozettel klären Flüchtlinge darüber auf, welche Seiten sie nicht besuchen dürfen: Pornoanbieter, terroristische Vereinigungen, Streaming-Dienste. Werbus hat die Zettel in 25 Sprachen übersetzen lassen.

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