Asylpolitik in Bayern:Flüchtlinge sollen aufs Land

NRW- Flüchtlingsgipfel

Viele Flüchtlingsunterkünfte in Bayern sind überbelegt. (Symbolbild)

(Foto: dpa)
  • Tausende Wohnungen sind nach Ansicht von Innenminister Joachim Herrmann für die immer größer werdende Zahl von Flüchtlingen nötig.
  • Herrmann will die Flüchtlinge in strukturschwachen Gebieten Bayerns unterbringen.
  • Bayern will mehr finanzielle Hilfe vom Bund, um die Kosten bewältigen zu können.

Von Dietrich Mittler und Wolfgang Wittl

Mit neuem Wohnraum will die bayerische Staatsregierung auf den enormen Anstieg der Flüchtlingszahlen reagieren. Im Freistaat seien "Tausende von Wohnungen" erforderlich, sagte Innenminister Joachim Herrmann nach der Kabinettssitzung am Dienstag. Dies könne eine Chance sein, leer stehende Häuser in strukturschwachen Gebieten neu zu beleben. Aber auch der Neubau von Gebäuden ist nach Auffassung der CSU eine Option. Denkbar sei eine Beteiligung von privaten Investoren, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber. Damit sich solche Modelle rentierten, müsse aber schon bei der Planung der Gebäude über deren Nachnutzung nachgedacht werden. Herrmann forderte sogar "eine starke Wohnungsbauinitiative bundesweit".

Vom Bund erwartet der Freistaat generell mehr Hilfe. Berlin stehe in der Pflicht, Länder und Kommunen strukturell dauerhaft finanziell zu unterstützen. Da die Asylproblematik weltweit nur gemeinsam gelöst werden könnten, müsse die Bundesregierung international zudem deutlicher aktiver werden. Auch die stetig wachsende Zahl an unbearbeiteten Asylanträgen - derzeit 180 000 - beschere den Ländern unnötige Kosten. Man werde das Thema mit bisher nicht gekannter Vehemenz in Berlin vortragen, kündigte Huber an. Deutschland müsse sich dieses Jahr womöglich auf bis zu 400 000 Asylbewerber einstellen, das wären doppelt so viele wie 2014.

Bayern soll sich dem Bundesrecht beugen

Nach Ansicht der Grünen sollte die Staatsregierung selbst ihre Hausaufgaben machen. Mit einem Dringlichkeitsantrag wollen sie am Donnerstag darauf drängen, dass Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge - sofern sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen - nicht mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft leben müssen. So ist es im neuen Bundesrecht vorgesehen. Bayern, so fordern die Grünen, habe sich dem Bundesrecht zu beugen. Das sei auch aus humanitären Gründen geboten: "Ein Teil der Unterkünfte macht Menschen auf Dauer krank und nimmt ihnen die Kraft, die sie brauchen, um sich hier ein neues Leben aufbauen zu können."

Der Bayerische Flüchtlingsrat, der dafür kämpft, dass Asylbewerber und Geduldete sich nach kurzer Zeit eine Wohnung nehmen dürfen, wirft der Staatsregierung vor, hartnäckig an "ihrer rigiden Lagerpflicht" festzuhalten. "In anderen Bundesländern dürfen geduldete Flüchtlinge längst in Privatwohnungen ziehen", sagt Alexander Thal als Sprecher des Flüchtlingsrats. Davon profitierten nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Öffentlichkeit: Privatwohnungen seien letztlich billiger als die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften.

Die Mitte-Studie der Universität Leipzig, die Bayern nach Sachsen-Anhalt als das ausländerfeindlichste Bundesland ausweist, löste im Kabinett Empörung aus. Angesichts der staatlichen Bemühungen und des großen Engagements der Bevölkerung grenze die Studie an eine Beleidigung, sagte Huber: "Wir haben hier eine Willkommenskultur und keine Abwehrmentalität." Man müsse aber darauf achten, dass die Bevölkerung nicht überfordert werde und die Stimmung nicht kippe. Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Grünen, zeigt sich von den CSU-Plänen unbeeindruckt: "Man hätte in Bayern bei der Asylsozialberatung, den Sprach- und Integrationskursen schon lange seine Hausaufgaben machen können."

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