Studenten in Bayern:Schlafplatz verzweifelt gesucht

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Viele Studenten haben zum neuen Semester noch keine Bleibe gefunden und sitzen (noch) auf der Straße. (Foto: dpa)

Das Wintersemester geht los, doch viele Studenten haben noch kein Zimmer gefunden. Manche von ihnen wissen erst seit ein paar Tagen, in welcher Stadt sie studieren sollen. Kellerraum mit Etagenklo? Besser als nichts!

Von Martina Scherf und Charlotte Theile

Andreas Schäfer hatte alles richtig gemacht. Schon Monate vor Studienbeginn war der 19-Jährige an seinem Wunschort Würzburg auf Wohnungssuche gegangen. Die große Welle der Erstsemester war noch nicht angekommen, Schäfer fand schnell ein Zimmer im Wohnheim. Jetzt fehlte nur noch der Studienplatz, Biologie auf Lehramt. Doch Schäfer hörte nichts mehr von der Universität.

Dann kam schließlich Post: eine Absage. Der junge Mann kündigte sein Zimmer und schrieb sich in seiner Heimatstadt Bayreuth ein. Dort erreichte ihn vor einigen Tagen ein Brief aus Würzburg: Er hatte nun doch einen Studienplatz bekommen, über die Nachrückliste. Sein Wohnheimplatz aber war weg. "Pech", sagt Andreas. Jetzt schläft er auf der Couch eines Tutors, genau wie viele andere Studienanfänger, die in diesen Tagen in ganz Bayern auf der Suche sind - nach irgendeinem Zimmer, sei es auch noch so abgelegen, runtergekommen oder überteuert.

"Es sieht hier leider wie jedes Jahr katastrophal aus", sagt Studentenvertreter Daniel Janke, der seit drei Jahren Luft- und Raumfahrtinformatik in Würzburg studiert. Auch als er sein Studium begann, war die Wohnsituation für Studenten schwierig, auch damals gab es schon Matratzenlager in der Uni-Turnhalle und Kommilitonen, die aus einem Wohnmobil oder von der Couch eines Freundes aus ihr Studium begannen. Neue Wohnheimplätze sind entstanden, "doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Janke.

Studenten Wohnungen Graphik Bayern Mietpreise (Foto: SZ Graphik)

26 725 Studenten haben sich zum Wintersemester, das an diesem Dienstag beginnt, an der Uni Würzburg eingeschrieben, die Zahl der Studienanfänger liegt fast so hoch wie im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs und 30 Prozent höher als noch vor fünf Jahren. Auch die Mietpreise seien seither "viel, viel schlimmer geworden" sagt Janke, der selbst in einem Zehn-Quadratmeter-Raum mit Etagendusche und -toilette wohnt.

Was Janke beschreibt, deckt sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Eine im Mai veröffentlichte Studie sieht gerade die mittelgroßen Universitätsstädte, in Bayern vor allem Regensburg und Erlangen, als Brennpunkte. Ingolstadt und München (einschließlich des wachsenden Campus in Freising) haben demnach das höchste Mietniveau: Mehr als acht Euro pro Quadratmeter sind üblich, die Nachfrage bestimmt den Preis.

Studenten am Schwarzen Brett mit Wohnungsanzeigen. (Foto: dpa)

Deutschlandweit stieg die Zahl der Studenten seit 2002 um 23 Prozent, die Zahl der öffentlich geförderten Wohnheimzimmer aber nur um drei Prozent. Die bayerische Staatsregierung hat darauf reagiert und betont, im vergangenen Jahr sei ein Viertel der bundesweit geförderten Wohnheimplätze allein in Bayern entstanden. Derzeit sind laut BFW-Studie landesweit gut 600 Wohnheimplätze im Bau - bei 65 000 Studienanfängern in diesem Wintersemester ist das aber tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein in Würzburg stehen derzeit 1700 Leute auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz.

Weil das Angebot so knapp ist, "teilen sich hier wenige Investoren und Makler den Markt auf", sagt Janke, "also quasi ein Oligopol." Die Preise seien teilweise schon auf 350 bis 400 Euro für ein WG-Zimmer geklettert, "in der Innenstadt kann es sogar noch teurer sein".

In München kennt man diese Preise seit langem. Hier hat man sich an eine Situation gewöhnt, die den Würzburgern noch skandalös erscheint. "Gleichbleibend schwierig" heißt es achselzuckend. Bauträger machen aus der Not inzwischen ein gutes Geschäft: Überall entstehen luxuriöse Apartmentblocks für Kapitalanleger, mit "stylisher Gemeinschafts-Area", "Cooking-Lounge" oder Fitnessraum, zum Mietpreis von 450 Euro aufwärts - kalt. "Wer Eltern hat, die so etwas finanzieren können, hat kein Problem", sagt der Sprecher des Studentenwerks Augsburg, wo ebenfalls solche Boardinghäuser entstehen.

Manche Studienanfänger mieteten sich in der Not dort ein, um dann so schnell wie möglich etwas Billigeres zu suchen. Auch in Augsburg treibt die Tatsache, dass Kapitalanleger derzeit fieberhaft in "Betongold" investieren, die Preise in die Höhe. Das Angebot ist knapp - aber Notlager für Studenten wie in München, Würzburg oder Regensburg gibt es noch nicht.

In Regensburg herrscht "jedes Jahr der gleiche Wahnsinn", sagt Studentenvertreterin Franziska Hilbrandt. Dabei sei es gar nicht nur der Andrang - aktuell studieren 21 075 junge Leute, auch das ist Rekord -, sondern ein fehlerhaftes System, das den Studenten die Wohnungssuche erschwere. "Viele erfahren erst wenige Tage vor Semesterbeginn, in welcher Stadt sie studieren werden." Seit Jahren wird ein bundesweites Vergabesystem angekündigt, allein, die Software funktioniert nicht. Wer leidet, sind die Studenten.

In vielen Uni-Städten wenden sich die Hochschulen inzwischen an die Bevölkerung: Die Zimmerwirtin ist wieder gefragt. Die Rückmeldungen sind allerdings spärlich. Unter dem Motto "Wohnen und Helfen" hat die Technische Hochschule Ingolstadt schon im Sommer Zimmer gesucht, gerade Studenten aus dem Ausland, die sich besonders schwer tun, eine Wohnung zu finden, sollen hier unterkommen. Die Hochschule in der Audi-Stadt wächst und wächst, gerade wird ein neuer Campus gebaut. Fahrzeugtechnik und Betriebswirtschaft, das zieht viele Studenten an.

Allein 90 junge Leute aus unterschiedlichen Nationen haben in diesem Jahr ein Studium in Ingolstadt aufgenommen. "Für den Ausbau der internationalen Kontakte und das kulturelle Miteinander in der Stadt ist das ein Glücksfall", verkündete Stella Altenburg vom Career Service der Hochschule hoffnungsvoll und startete im Sommer einen Aufruf an die Ingolstädter Bürger, Zimmer gegen Hilfe in Haushalt, Garten oder bei der Kinderbetreuung bereitzustellen - "Englischkenntnisse vorausgesetzt". Gemeldet hat sich niemand. "Vielleicht war es zu kurzfristig, wir werden den Aufruf nächstes Jahr früher starten", sagt Altenburg. So bleibt ihr jetzt nur übrig, die jungen Leute auf Hotels oder Jugendherbergen zu verweisen.

Biologiestudent Andreas Schäfer hat in Würzburg inzwischen einen Retter in der Not gefunden: "Der Hausmeister vom Wohnheim hatte so viel Mitleid mit mir, dass er sagte, er räumt im Keller etwas leer, dann kann ich dort wohnen", sagt er erleichtert. "Ich hab' echt Glück gehabt."

© SZ vom 15.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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