Stiftungswesen:Wenn das Geld zu teuer wird

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Die niedrigen Zinsen machen gemeinnützigen Stiftungen zu schaffen. Nun verlangen immer mehr Banken sogar einen Strafzins auf hohe Guthaben. Die Idee, langfristig Gutes zu tun, bringt das in Gefahr

Von Sebastian Jannasch, München

Ende vergangenen Jahres bekam Alexander Brochier Post von der Bank. In dem Schreiben teilte ihm sein Geldhaus mit, welcher Zinssatz von Januar an auf das Guthaben seiner Stiftung entfallen würde: 1,1 Prozent. Allerdings sollte er den nicht bekommen, sondern bezahlen. Brochier sollte Strafzins dafür entrichten, dass die Genossenschaftsbank sein Geld, einen sechsstelligen Betrag, aufbewahrt. Verkehrte Welt. "Ich habe dann das Geld zu einer anderen deutschen Bank gebracht", sagt Brochier.

So wie dem Vorstand der Nürnberger Brochier Stiftung, die sich vor allem für benachteiligte Kinder engagiert, geht es derzeit vielen Stiftungsverantwortlichen in Bayern. Sie werden von ihren Banken zum Gespräch geladen, weil zu viel Geld auf ihren Konten lagert. Was für die Institute früher ein Grund zum Jubeln gewesen wäre, bedeutet heute Einbußen: Wegen der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank müssen die Banken ihrerseits Negativzinsen auf überschüssige Einlagen bezahlen. Die Kosten reichen immer mehr Institute an ihre Firmenkunden weiter.

"Noch gibt es Banken, die keine Strafzinsen von Stiftungen verlangen, aber immer mehr tun es", sagt Philipp Hof. Er ist Geschäftsführer des Haus des Stiftens in München, das von der Brochier Stiftung gegründet wurde und unter dessen Dach 1400 Stiftungen verwaltet werden. Mittlerweile erheben einige Genossenschaftsbanken und Sparkassen Strafzinsen. Auch Commerzbank und Deutsche Bank schließen im Einzelfall Negativzinsen bei institutionellen Kunden nicht aus. Philipp Hof befürchtet, dass die Zinssituation immer mehr Stiftungen zwingt, ihre Projekte zurückzufahren oder sogar zu pausieren.

Denn der Strafzins verschärft eine Situation, die den Stiftungen schon seit Jahren zusetzt: Die Mini-Zinsen stellen ihr bisheriges Geschäftsmodell in Frage. Stiftungen dürfen üblicherweise nicht von dem gestifteten Vermögen leben. Die Idee: Um noch in 100 Jahren wirken zu können, muss das Vermögen erhalten werden. Die Erträge aus dem Vermögen werden dann genutzt, um Projekte zu finanzieren, etwa Pflegeeinrichtungen zu unterstützen, Sprachkurse für Flüchtlinge zu finanzieren oder Stipendien für begabte Schüler zu vergeben.

Jahrzehntelang gelang es problemlos, das Stiftungsvermögen risikoarm am Kapitalmarkt anzulegen. "Die Zeiten, in welchen es noch möglich war, mit festverzinslichen Papieren fünf Prozent Zinsen und mehr zu erhalten, sind bekanntlich lange vorbei", sagt Jasper von Hoerner, Stiftungsexperte der Kanzlei LKC. Das setzt besonders Stiftungen unter Druck, die Zahlungsverpflichtungen haben, weil sie beispielsweise Kindergärten oder Theatern finanzielle Zusagen gemacht haben. So ist es auch bei Alexander Brochier, der mit seiner Stiftung unter anderem ein Kinderheim in Tschechien unterstützt. Die weggebrochenen Zinseinnahmen gleicht der Gesellschafter der Firmengruppe Brochier Gebäudetechnik derzeit durch höhere Zuschüsse aus seinem Unternehmen aus.

Doch längst nicht alle Stiftungen haben diese Option. Sie können auf ein Entgegenkommen der Bank hoffen. Das half auch Hans Robert Röthel. Der Vorstandsvorsitzende der Marion von Tessin-Stiftung hält einen zweistelligen Millionenbetrag bei der Stadtsparkasse München vor. Das Geld soll in die Demenzforschung fließen. Da die Sparkasse von April an 0,4 Prozent "Verwahrentgelt", also Strafzins, von Firmen- und institutionellen Kunden fordert, die mehr als 250 000 Euro auf einem Konto haben, kämen gewaltige Kosten auf Röthel zu. "Ich habe das Gespräch gesucht und bin froh, dass eine Lösung gefunden wurde", sagt Röthel. Negativzinsen sollen nun nicht anfallen. Denn bei gemeinnützigen Organisationen macht die Bank im Einzelfall Ausnahmen. Stiftungsvorstand Röthel plädiert dafür, gemeinnützige Stiftungen generell von Strafzinsen auszunehmen.

Da eine solche Regelung aber nicht absehbar ist, wandelt manch ein Gönner seine Stiftung in eine Verbrauchsstiftung um, die ihr Vermögen aufbrauchen darf. Andere werben vermehrt Spenden ein. Für die meisten liegt die Lösung aber darin, ihre Anlagestrategie zu überarbeiten. Denn der Niedrigzins trifft vor allem Stiftungen hart, die sich bisher auf sehr konservative Anlageformen fokussiert haben. "Die Stiftungen müssen kreativ werden und sich intensiver damit beschäftigen, wie sie ihr Vermögen gewinnbringend anlegen", sagt Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen.

Stiftungen müssen nun stärker auf Aktien und Immobilien setzen, die noch attraktive Gewinne versprechen. Gleichzeitig steigt damit aber auch die Gefahr, dass sich unerfahrene Stiftungsvorstände verspekulieren. "Manche Stiftungsvorstände scheuen nach wie vor das höhere Risiko, weil sie fürchten, dass sie im Fall eines finanziellen Schadens auch persönlich in Haftung genommen werden", sagt Stiftungsexperte von Hoerner. Felix Oldenburg vom Stiftungsbundesverband fordert deshalb eine Reform des Stiftungsrechts, um Verantwortlichen klarere Regeln zu geben, was sie bei der Anlage dürfen und was zu spekulativ wäre.

Oldenburg kann der Magerzinsphase sogar etwas Gutes abgewinnen. Die Situation biete Stiftungen die Chance, sich neu aufzustellen und wirkungsvoller zu investieren, also beispielsweise das Vermögen nicht bei einer Ölfirma anzulegen, sondern eher in erneuerbaren Energien oder Sozialimmobilien zu investieren. "So können Stiftungen auch schon beim Anlegen einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen."

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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