Stadtleben in Nürnberg:Bussi Bussi? Och nö!

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Der Glamour-Faktor liegt in Nürnberg ganz klar im Minus-Bereich. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Aber ein Blick ins Staatstheater hilft womöglich, dieses Phänomen ein bisschen zu verstehen.

Von Olaf Przybilla

In Bamberg sucht die Gebäudereiniger-Innung gerade nach dem, oho, hässlichsten Graffito in der Stadt, die Bamberger nehmen regen Anteil. Wenn er gefunden ist, soll der "Schandfleck" (im Gebäudereinigerinnungsjargon) erbarmungslos entfernt werden, kostenlos. Das sind so die Probleme von Welterbestadtbewohnern, schon schlimm.

In Nürnberg soll es gelegentlich Besucher geben, die im Süden der Stadt ankommen und sich fragen, ob man da mit diesen gräulichen 08/15-Bauten, die ganze Stadtteile dominieren, nicht mal was machen könnte? Schon klar, historische Industriestadt, zerbombt, später immer wieder krisengeschüttelt, nie wirklich Geld im Stadtsäckel, das ist alles nicht so einfach. Aber es muss ja nicht gleich Abriss sein, mal ein hübsches Graffito in die eine oder andere atombunkerähnliche 50er-Jahre-Bahnunterführung mit Funzelbeleuchtung, wär das nichts?

Das wiederum sind die Probleme von Nürnberg-Anfängern. Die Einheimischen, das sagen alle Erhebungen, fühlen sich in ihrer Stadt sauwohl. Und ja, auch im Stadtsüden, diesem - wie ein Nürnberger Promi mal formuliert hat - "Duisburg Bayerns". Man weine immer zweimal in Nürnberg, heißt es: Einmal wenn man komme, einmal wenn man gehe. Sagt man zwar über viele Städte, in Nürnberg aber ist die Sache evident.

Kein Sektchen, Küsschen und Ach-Gott-ach-Gott

Woran das liegt? Schwer zu sagen, ein Blick aber ins Staatstheater hilft womöglich, dieses Nürnberg-Phänomen ein bisschen zu verstehen. Dort staunen die Künstler am Schauspielhaus, vor allem die neuen, regelmäßig über die Menschen, die da in Nürnberg ins Theater gehen. Ein ernsthaftes, am Diskurs interessiertes, unblasiertes Publikum, das offenkundig deshalb kommt, weil es einfach Lust auf Kultur hat. Sektchen, Küsschen und Ach-Gott-ach-Gott im Anschluss? Oft versucht, inzwischen lässt es das Schauspielhaus einfach sein.

Gegenüber, in der Oper, hat sich das Haus 13 Jahre lang an einem Opernball versucht. Inzwischen kann man dort auf der Tanzfläche eine Picknickdecke ausbreiten, so wenig haben die Nürnberger offenbar Lust auf theatralisches Abendgetue samt Halbprominenten. Nun hat der Intendant entschieden, wie es weitergeht mit dem Defizit-Ball: Das Staatstheater selbst mache zwar nicht mehr weiter, das Aus müsse das aber nicht bedeuten. Vielleicht könne ein Trägerverein den Ball in einem "kleineren Format" weiterführen, irgendwie nürnbergerischer.

© SZ vom 02.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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