SPD: Ludwig Stiegler im Interview:"Wir sind zu allem fähig"

Lesezeit: 3 min

Der bayerische SPD-Chef spricht über eine mögliche Koalition mit der FDP, die chaotischen Verhältnisse bei der CSU und wer noch an den Osterhasen glaubt.

Birgit Kruse

sueddeutsche.de: Herr Stiegler, Franz Maget spricht der CSU angesichts ihrer Führungskrise die Fähigkeit ab, eine Regierung zu bilden. Stattdessen will er selbst eine Viererkoalition gemeinsam mit den Grünen, FDP und Freien Wählern anführen. Ist das angesichts des SPD-Wahlergebnisses nicht etwas vermessen?

Ludwig Stiegler: "Für die Zukunft ist alles offen." (Foto: Foto: dpa)

Ludwig Stiegler: Wieso? Wir sind zu allem fähig. Wir haben eine Mehrheit jenseits der CSU, und das ohne die Linkspartei. Das ist ja das Erfreulichste an der Geschichte. Und wenn man die landespolitischen Themen betrachtet, sieht man, dass wir vier untereinander weniger Probleme haben werden, als die CSU mit der FDP oder den Freien Wählern.

Die instabilste Gruppe der nächsten Zeit wird die CSU sein. Insofern spricht alles dafür, dass man es mit Franz Maget versucht. Er kann ausgleichend wirken und zusammenführen. Er ist kein Egomane, sondern einer, der partnerschaftlich arbeiten kann.

sueddeutsche.de: Die FDP sieht das etwas anders. Für sie ist die CSU die erste Wahl.

Stiegler: Klar. Die FDP ist ganz begierig darauf, bei der CSU unterzuschlüpfen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger denkt, eine Viererkoalition sei labil. Wenn sie genauer hinsieht, wird sie jedoch erkennen: Die CSU ist alles andere als stabil. Wer glaubt, dass die CSU schnell zur Ruhe kommt, der glaubt sicherlich auch noch an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und den Klapperstorch.

sueddeutsche.de: Auch wenn die CSU derzeit ziemlich zerstritten ist, in einem sind sie sich einig: dass sie den klaren Auftrag zur Regierungsbildung haben.

Stiegler: Jeder, der eine Mehrheit zustande bringt, schreibt sich den Regierungsauftrag auf die Fahne. Es hat Tradition, dass die größte Partei versucht, eine Regierung zu bilden. Wir würden auch einer Einladung der CSU zu Sondierungsgesprächen folgen. Aber unsere Wunschkoalition bleibt die Viererkoalition.

sueddeutsche.de: Aber die CSU - unter anderem Noch-Parteichef Erwin Huber - hat Koalitionsgespräche mit der SPD bereits ausgeschlossen.

Stiegler: Mir gegenüber hat er sich ganz anders geäußert. Bei nüchterner Betrachtung wird sich auch die CSU fragen, wie sie am besten wegkommt. So wie wir. Und wenn die ersten Optionen nicht gehen, dann wird man sich andere suchen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die SPD der FDP als möglichen Koalitionspartner zu bieten hätte.

sueddeutsche.de: Was hätten Sie denn beispielsweise der FDP zu bieten?

Stiegler: "Wer glaubt, dass die CSU schnell zur Ruhe kommt, der glaubt sicherlich auch noch an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und den Klapperstorch." (Foto: Foto: dpa)

Stiegler: Auf Landesebene sind die Unterschiede nicht so groß. Wir haben eine anständige Mittelstandspolitik. In der Innenpolitik sind CSU und FDP viel weiter voneinander entfernt als FDP und SPD. Und in der Bildungs- und regionalen Wirtschaftspolitik liegen wir auch nicht weiter auseinander. Ich wüsste also nicht, wo es zwischen uns unüberwindbare Gräben gibt. Jedenfalls sind die Gräben nicht tiefer als zwischen CSU und FDP.

sueddeutsche.de: Und Sie glauben, die FDP kommt mit der Zeit schon von alleine drauf, dass die CSU nicht der geeignete Koalitionspartner ist?

Stiegler: Franz Maget wird im Auftrag des bayerischen SPD-Präsidiums versuchen, mit allen zu sprechen. Die Grünen sind dazu bereit. Die Freien Wähler haben Gespräche auch nicht ausgeschlossen. Das einzige Problem ist noch die FDP - auch wenn sie sicherlich zu Sondierungsgesprächen kommen würde. Die FDP will lieber regieren als opponieren. Doch zunächst wird die FDP noch auf den Anruf von Horst Seehofer oder Erwin Huber hoffen.

sueddeutsche.de: Wenn man die Stimmen von CSU, FDP und Freien Wählern zusammenzählt, kommt man auf eine nicht unbeträchtliche konservativ-liberale Mehrheit. Würde eine Viererkoalition nicht dem Wählerwillen widersprechen?

Stiegler: Die Bürger haben über keine Koalition abgestimmt. Sie haben Parteien mit ihren Stimmen versehen. Und jetzt gibt es in Bayern eben so viel Kombinationsmöglichkeiten wie in der gesamten Nachkriegszeit nicht.

sueddeutsche.de: Neben schwierigen Koalitionsverhandlungen muss sich die SPD auch mit dem schlechtesten Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte auseinandersetzen. Ist das der Anfang vom Ende der Volkspartei im Freistaat?

Stiegler: Die neue Situation belegt eine Wachstumschance für die SPD. Wir haben immerhin 80.000 Stimmen von der CSU gewonnen. Das hat uns gezeigt, dass wir in dieses Lager einbrechen können. Allerdings müssen wir uns nach links abschotten. An die Linken haben wir 50.000 Stimmen verloren. Das ist sicherlich auch der Preis, den wir für die Regierungsbeteiligung in der großen Koalition in Berlin zahlen müssen. Doch für die Zukunft ist alles offen. In Bayern ergeben sich völlig neue Chancen.

© sueddeutsche.de/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: