SPD-Landrat Adam:Junger Rebell am Scheideweg

Lesezeit: 3 min

Ungewisse politische Zukunft: Michael Adam von der SPD steht am Scheideweg. (Foto: dpa)

Tüchtiger Landrat oder unzüchtiger Selbstdarsteller? In der SPD verliert man zunehmend die Geduld mit dem sprunghaften Landrat Michael Adam aus Niederbayern. Nach wie vor aber hat er viele Unterstützer, die trotz seiner Eskapaden voll hinter ihm stehen.

Von Wolfgang Wittl

Viel hat nicht gefehlt, und der Regener Stadtplatz wäre am Freitagabend zur Open-Air-Bühne geworden. Konstantin Wecker hatte sich erboten, ein Konzert für den in die Schlagzeilen geratenen Landrat Michael Adam (SPD) zu geben. Die Organisatoren beließen es dann aber doch bei der geplanten Demonstration. Er bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn er an die vielen Rückmeldungen denke, sagte Initiator Thomas Weyermann wenige Stunden vor der Demo. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits fast 400 Menschen angemeldet, mit Transparenten wollten sie Michael Adam den Rücken stärken: "Wir sind Landrat, jetzt erst recht", war etwa zu lesen. Oder: "Einer für alle, alle für einen."

Weyermann, 43, steht weder der SPD nahe, wie er sagt, noch sei er mit Adam persönlich befreundet. Trotzdem ist es ihm ein Anliegen, dem Landrat derzeit beizuspringen. Adam hatte Boulevard-Berichte bestätigt, wonach er in seinen Diensträumen Sex mit einem anderen Mann gehabt und sogenannte Poppers - lustfördernde Stimulanzien - eingenommen habe. Daraufhin fegte ein medialer Orkan über ihn hinweg. "Jeder wusste, dass er schwul ist", sagt Weyermann. Alles andere sei eine Angelegenheit zwischen Adam und seinem Lebenspartner. Als Landrat, und nur darauf kommt es Weyermann an, "war noch nichts besseres da".

Rita Röhrl ist in diesem Punkt vermutlich ähnlicher Ansicht, doch die Demonstration zu besuchen, kam ihr nicht in den Sinn. Röhrl, Bürgermeisterin von Teisnach und Bezirksrätin, ist die Grande Dame der SPD im Bayerwald. Adam holte sich bei ihr schon Rat, bevor er Bürgermeister von Bodenmais wurde. Es sei ja nett, dass "dem Michl" öffentlich der Rücken gestärkt werde, sagt Röhrl. Doch ihrer Meinung zufolge bräuchte Adam etwas anderes: "Jemanden, der ihm kräftig den Kopf wäscht."

Keine Partei ist im Moment schlechter auf Adam zu sprechen als seine eigene, die SPD. "Es reicht", sagt einer, der lange dabei ist. Dass Adam den Landeschef Florian Pronold ("umgeben von Ja-Sagern und Speichelleckern") attackierte, konnten viele noch nachvollziehen. Als er nach der Bundestagswahl kundtat, er habe die CSU gewählt, war es mit dem innerparteilichen Verständnis vorbei. Von den Sex-Vorwürfen wurde die Partei kalt erwischt, Adam hatte sie vorab nicht informiert. "Es gab keine Absprache, wie wir damit umgehen, nichts", heißt es aus dem Führungszirkel.

In Parteikreisen wird Adam bereits als "tickende Zeitbombe" beschrieben, von der man nicht wisse, was als nächstes komme. Der Frust ist groß: Adam vertrage keine Kritik mehr, halte sich für unantastbar, wisse nicht mehr, dass auch er der Partei etwas zu verdanken habe. Aber vielleicht spricht daraus ja auch nur die Enttäuschung, dass hier einer zunehmend seinen eigenen Weg geht - oder die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.

Dass dem 28-Jährigen in der SPD alle Türen bis nach ganz oben offen standen, davon ist Röhrl fest überzeugt. Adam sei ein hervorragender Landrat, ein ausgezeichneter Analytiker. Manch einer fragt sich allerdings, ob der Landrat auch sein eigenes Tun ergründe, und ob er sein politisches Talent nicht verschleudere. Im Landesvorstand sei er kaum präsent gewesen, den Bezirksvorsitz gab er vor Monaten ab, der Kreisvorsitz soll in Kürze folgen. Adam betonte immer wieder, dass er intern keine Ämter anstrebe. Gleichzeitig nahm er sich mit seiner Kritik nicht zurück. Weggefährten haben inzwischen das Gefühl, dass er mit der SPD fremdele. Einzelne Ortsverbände sollen sich bereits einen Besuch Adams verbeten haben. Röhrl sagt: "Der Michl steht jetzt am Scheideweg."

Die Stimmung in der Bevölkerung ist gespalten: Sie reicht von treuen (oft jüngeren) Unterstützern, die den Landrat für seine Unverblümtheit und sein Engagement schätzen; bis zu jenen (meist Älteren), die ihn für einen unzüchtigen Selbstdarsteller halten. Viele Regener sehen es wohl wie Thomas Weyermann: Der Landrat leiste gute Arbeit, sollte sich in nächster Zeit vielleicht aber etwas mehr auf seine Amtsgeschäfte konzentrieren. Die nach dem Freitod des vorherigen Landrats Heinz Wölfl immer noch konsternierte CSU hält sich auffallend zurück. Ihr Kreisvorsitzender, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, erklärte, er werde weder urteilen noch verurteilen. Angeblich hat Adam überlegt, die Landratswahl nach erst zwei Jahren im Amt auf kommenden März vorzuziehen, damit sie wieder im Turnus liegt. Davon könnte er nun abgekommen sein.

Am Freitag hat sich Adam erstmals nach seinem selbst verordneten Urlaub zu Wort gemeldet. In einer Pressemitteilung bekräftigte er, künftig generell auf Auftritte wie Facebook zu verzichten. Mit Kritik an Politikern, Institutionen und Personen außerhalb des Landkreises Regen wolle er sich gänzlich zurückhalten, sofern diese seine Arbeit als Landrat nicht direkt betreffen. Bei den Abteilungsleitern im Landratsamt habe er sich bereits entschuldigt, bei Mitarbeitern werde er das noch tun. Einziges Ziel sei, seinen Amtspflichten "auch in Zukunft tatkräftig und gewissenhaft nachzukommen, ohne erneut Gegenstand weiterer öffentlicher, kontroverser Debatten zu sein".

In seinem Büro wurde der Neuanfang bereits vollzogen. Die Couch, die künftig womöglich manchen Blick auf sich gezogen hätte, wurde in den Keller verbannt.

© SZ vom 23.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: