SPD im Landtag:Ein Umsturz von oben

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So soll der lang ersehnte Sprung in die Regierung gelingen: SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher will die ganze Führung austauschen - und muss deswegen mit Unmut rechnen.

Frank Müller

"Eine Revolution", "volles Risiko", "kein Stein bleibt auf dem anderen": Die bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten sind fasziniert und fassungslos zugleich über das, was sich gerade in ihrer Mitte abspielt. Mit einem kompletten Austausch der gesamten Fraktionsführung soll nun gelingen, was schon so oft scheiterte: der Sprung in die Regierung. Praktisch jeder Führungsposten soll zu diesem Zwecke heute neu besetzt werden, nur einer nicht: der von Fraktionschef Markus Rinderspacher. Der hat sich die Sache schließlich ausgedacht.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher will die Führungsmannschaft auswechseln. (Foto: dpa)

Sein Plan ist in der Tat kühn: Er will sich heute nicht nur alle drei Stellvertreter austauschen lassen, sondern daneben auch noch drei neue Fachsprecher für die zentralen Bereiche Bildung, Soziales und Wirtschaft etablieren. Sie bekommen - auch das ist neu - alle einen Sitz im Fraktionsvorstand. Somit entsteht ein Sechser-Team als eine Art Schattenkabinett, auch wenn es Rinderspacher nicht so nennt. Sein Ziel: "Wir wollen in den nächsten zwei Jahren in allen Punkten regierungsfähig werden."

Die Fraktionswahlen, die eigentlich erst im Herbst fällig gewesen wären, hat Rinderspacher zu diesem Zweck eigens auf diesen Mittwoch vorziehen lassen. Mit Details seiner Pläne hielt sich der Fraktionschef gestern zurück - um den Unmut in der Fraktion nicht noch zu verstärken. Denn auch wenn am Ende wohl eine Mehrheit den Personalwechsel billigen wird: Es gibt viel Kritik an Rinderspachers Umsturz von oben, vor allem von denen, die selbst nicht zum Zuge kommen. Für gestern Abend war eine mehrstündige Aussprache in der Fraktion angekündigt.

Wie stark der Widerstand danach noch ist, kann der Chef heute am eigenen Ergebnis ablesen. Auch Rinderspacher selbst muss sich dem Votum der Fraktion stellen. An eine Wiederholung des guten Ergebnisses vor zwei Jahren, glaubt bei den Genossen keiner. 2009 wählte die SPD ihr mit damals 40 Jahren jüngstes Mitglied nach nur einem Jahr Landtagszugehörigkeit gleich an die Spitze, mit 35 von 39 Stimmen. Er übernahm die Nachfolge von Franz Maget, der nach dem Wahldebakel von 2008 abgetreten war.

Damals hatte Rinderspacher auch Magets Mannschaft übernommen, damit ist jetzt Schluss: Bereits bekannt ist, dass seine drei Vizes Johanna Werner-Muggendorfer, Christa Naaß und Thomas Beyer ihre Posten räumen sollen, für sie kommen Partei-Generalsekretärin Natascha Kohnen, die frühere Kulmbacher Oberbürgermeisterin Inge Aures und der Finanzpolitiker Volkmar Halbleib. Mindestens ebenso bedeutend sind die drei neuen Sprecher für die zentralen Politikbereiche.

Die wichtigste Rochade: Der Münchner Bildungspolitiker Hans-Ulrich Pfaffmann leitet künftig den SPD-Kernbereich der Sozialpolitik - und trägt dies auch mit, obwohl er dadurch den Posten eines Ausschusschefs samt mehreren hundert Euro Zuschlag verliert. "Bei 17 Prozent kann es nicht mehr um persönliche Eitelkeiten gehen", sagt Pfaffmann. Seinen Posten als Bildungssprecher übernimmt der Dachauer Lehrer Martin Güll, der bisherige Vize Beyer wird neuer Wirtschaftssprecher - immer vorausgesetzt, dass sich der Unmut in der Fraktion nicht am Ende noch in Gegenkandidaturen entlädt. Das gilt als durchaus möglich, könnte aber zu einer Schlappe für Rinderspacher führen. Noch schlimmer wäre nur eines: Wenn er bei seiner eigenen Wahl unter 50 Prozent bliebe. Dann bräuchte die Fraktion auch gleich noch einen neuen Chef.

© SZ vom 08.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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