Sparpläne der Staatsregierung:"Kahlschlag wie unter Stoiber"

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Krisentreffen im Wissenschaftsministerium: Gegen die harschen Sparpläne der Staatsregierung formiert sich breiter Widerstand. Nicht nur aus den Universitäten.

Mike Szymanski und Martin Thurau

Das Krisentreffen im Wissenschaftsministerium war reichlich kurzfristig angesetzt, schließlich sind die harschen Sparbeschlüsse der Staatsregierung noch nicht einmal zwei Wochen alt. Da sollten die Hochschulen darlegen können, wie sehr schon die für den Rest des Jahres verfügten Stellensperren und Baustopps sie treffen.

Mehr noch, die versammelten Hochschulchefs legten Modellrechnungen dafür vor, was Kürzungen auch in den kommenden Jahren anrichten würden. "Die Dramatik ist klar", sagt Wolfgang Herrmann. Sollte die Staatsregierung die Kürzungslinie fortschreiben, rechnet der Präsident der Technischen Universität (TU) München vor, "brechen alle Ausbauplanungen in sich zusammen".

Dabei drängen im kommenden Jahr wegen der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium gleich zwei Abiturienten-Jahrgänge an die Hochschulen. "Es wäre ein Frevel, sie nicht exzellent auszubilden", mahnt Gunter Schweiger, der als Präsident der Hochschule Ingolstadt den Zusammenschluss der bayerischen Fachhochschulen leitet. Bis vor kurzem galt zwar die Linie, dass für das Generalziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes an Bildung und Forschung nicht gespart werden soll.

Aber längst lässt Minister Wolfgang Heubisch (FDP) durchblicken, dass die Sorgen der Universitäten und Fachhochschulen, sie kämen wohl nicht ungeschoren davon, einigermaßen berechtigt sind. Klarheit werde die Haushaltsklausur des Kabinetts Mitte November bringen.

Doch nicht nur die Universitäten melden Protest an, die Sparbeschlüsse treffen in der Tat alle Ressorts. Auch Bayerns Beamten rebellieren. Im kommenden Jahr will die Staatsregierung beim Personal eine halbe Milliarde Euro einsparen. Rolf Habermann, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), sagte der Süddeutschen Zeitung: "Von Monat zu Monat staut sich mehr Ärger auf. Die Stimmung kippt." Die Polizeigewerkschaft und Lehrerverbände kündigen bereits Proteste an.

Wie sein Amtsvorgänger Edmund Stoiber hat nun auch Regierungschef Horst Seehofer (CSU) Lehrer, Polizisten, Justiz- und Verwaltungsbeamte gegen sich aufgebracht. Um im kommenden Haushaltsjahr doch noch ohne neue Schulden auszukommen, will er unter anderem beim Personal kräftig kürzen. Beamtenbundchef Habermann erklärte, eine halbe Milliarde Euro einzusparen ginge über die Schmerzgrenze hinaus. "Bei uns ist die Sorge groß, dass es wieder zu einem Kahlschlag wie unter Edmund Stoiber kommt."

Der frühere Ministerpräsident hatte besonders stark bei den 220.000 Staatsdienern gespart, um 2006 einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen zu können. Stoibers Sparkurs wurde von massiven Protesten begleitet, die Beamten hatten sich als Konsequenz von der damals alleinregierenden CSU abgewendet.

Horst Seehofer hatte nach seinem Amtsantritt zunächst alles getan, um das Verhältnis wieder zu entspannen. Er hat den Beamten die Rückkehr von der 42 zur 40-Stunden-Woche versprochen. Im Januar tritt auch ein neues Beamtenrecht in Kraft, das Beförderungen erleichtert. Beide Vorhaben werden den Staatshaushalt in den kommenden Jahren mit jeweils mehreren hundert Millionen Euro belasten.

Nun verlangt Seehofer aber auch wieder Opfer von den Beamten. Deren Verbandsvertreter sind empört. Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, sagte: "Der Ärger unter den Lehrern ist groß." Man fühle sich von der Politik getäuscht, die bislang versichert hatte, bei der Bildung nicht sparen zu wollen. "Das war ein leeres Versprechen. Ich befürchte, dass im Bildungsbereich ein dreistelliger Millionenbetrag gekürzt werden soll."

Unter anderem werde diskutiert, Junglehrern weniger Geld zu bezahlen. "Wenn es dazu kommt, wird es große Proteste geben, und wir werden an der Spitze stehen." Im Vorstand habe man sich in dieser Frage schon beraten. Etwa die Hälfte der bayerischen Beamten sind in Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen tätig.

Auch Polizisten und Justizbeamte schlagen Alarm. Harald Schneider, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, erklärte: "Wir sind entsetzt über die Sparpläne. Ich gehe davon aus, dass wir bald wieder mit uralten Streifenwagen fahren und Computer nicht erneuert werden. Kleine Dienststellen werden ausbluten." Die Justizvollzugsbeamten sehen das ähnlich. Deren Verbandschef Anton Bachl sprach von einem "Schlag ins Gesicht" angesichts 630.000 angesammelter Überstunden seiner Kollegen.

Schon die Kürzungen für 2010 hätten das "Vertrauen in die Politik empfindlich gestört", sagt Karl-Dieter Grüske, Präsident der Uni Erlangen und Vorstand des Interessenverbandes der bayerischen Universitäten. "Entgegen allen Beteuerungen", Bildung und Forschung bevorzugt zu behandeln, setze die Staatsregierung auch hier den Rotstift an.

Sollte dies auch für den kommenden Doppelhaushalt gelten, so werde sich die Aufgabe, dem doppelten Abiturientenjahrgang gute Studienbedingungen zu bieten, nicht bewältigen lassen. Zwar soll der dafür eigens geplante Ausbau der Hochschulen unangetastet bleiben, doch natürlich werde sich jede Kürzung in Forschung und Lehre bemerkbar machen, warnt Grüske. Auch die Studenten, so der Erlanger Uni-Chef, würden es sich kaum gefallen lassen, Studiengebühren für die Verbesserung des Ausbildungsangebotes zahlen zu müssen, wenn sie an anderer Stelle Verschlechterungen hinnehmen müssten.

Mit den Kürzungen gerieten die bayerischen Universitäten zudem in einen "ernsthaften Wettbewerbsnachteil" gegenüber der Konkurrenz in anderen Bundesländern , warnt Grüske. Das könne gerade angesichts der für sie laufenden zweiten Runde der Exzellenzinitiative verhängnisvolle Auswirkungen haben. Auch der Münchner TU-Chef Wolfgang Herrmann warnt davor, die "wissenschaftspolitische Reputation Bayerns" zu beschädigen.

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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