Sonthofen:Verschmutztes Trinkwasser: Hüttenwirt vor Gericht

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200 Wanderer sind vor einem Jahr nach dem Besuch der Rappenseehütte in den Allgäuer Alpen erkrankt. Nun muss sich der Wirt vor Gericht verantworten.

Stefan Mayr

Der Fall hatte im August 2009 viele Bergwanderer und Alpinisten über die Grenzen Bayerns hinaus aufgeschreckt: Etwa 200 Wanderer klagten nach einem Besuch der Rappenseehütte in den Allgäuer Alpen bei Oberstdorf über Übelkeit und Durchfall, 40 Menschen mussten mitunter tagelang im Krankenhaus behandelt werden.

Wanderer vor dem Panorama der Allgäuer Alpen: Berichte über verunreinigtes Trinkwasser in der Rappenseehütte schreckten im August 2009 Bergwanderer auf. (Foto: dpa)

Erste Berichte machten verunreinigtes Trinkwasser als Ursache für die Masseninfektion aus, das der Herbergswirt seinen Gästen auf 2091 Metern Höhe ausschenkte. Die Kriminalpolizei ermittelte wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung, die Hütte wurde vorübergehend geschlossen. An diesem Dienstag muss sich der Pächter nun vor dem Amtsgericht Sonthofen verantworten. Allerdings ist von den ursprünglichen Vorwürfen nicht mehr viel übrig geblieben.

Im Strafbefehl tauchen die Masseninfektion und die Körperverletzung in keinem Wort mehr auf. Stattdessen spricht die Staatsanwaltschaft nur noch von einem "fahrlässigen Verstoß gegen die Trinkwasserverordnung". Rechtsanwalt Geert-Dieter Gerrens betont sogar, dass die Masseninfektion "rein gar nichts" mit der Trinkwasseranlage seines Mandanten zu tun habe. Er beteuert: "Irgendwelche Wanderer haben den Noro-Virus nach oben gebracht und alle anderen angesteckt."

Nach Gerrens' Angaben gab es in den mehr als 100 Stuhlproben der erkrankten Hüttengäste "keinen einzigen Hinweis" darauf, dass die defekte Wasser-Entkeimungsanlage an den massiven Beschwerden der Wanderer schuld war. Amtsgerichtsdirektor Alfred Reichert bestätigt diese Ansicht weitgehend: "Es war nicht nachzuweisen, dass das verunreinigte Wasser zu Verletzungsfolgen geführt hat, darum kann der Wirt auch nicht zur Verantwortung gezogen werden." Allerdings räumen der Wirt und sein Anwalt ein, dass die Anlage, in der die Keime im Wasser durch UV-Strahlen abgetötet werden, zum Zeitpunkt der Massenübelkeit nicht funktionierte.

"Aber ich glaube nicht, dass mein Mandant deshalb gleich als vorbestraft gelten muss", sagt Anwalt Gerrens. Der Strafbefehl lautete auf 50 Tagessätze à 50 Euro. Der Wirt legte Einspruch ein, deshalb kommt es an diesem Dienstag zum Prozess. Verteidiger Gerrens rechnet mit einer kurzen Verhandlung, es sind keine Zeugen geladen. Der Wirt kann also auf eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage hoffen. Er muss sich aber weiterhin den Vorwurf gefallen lassen, dass er seinen Gästen Wasser aus einer defekten Anlage anbot, ohne sie davon zu unterrichten.

© SZ vom 06.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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