Sonneberg:Thüringer Landkreis kämpft für Beitritt zu Bayern

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  • Die Stadt Sonneberg im Süden von Thüringen prüft, ob ein Übertritt nach Bayern möglich wäre.
  • Ein Verein sammelt nun Unterschriften und beruft sich auf die fränkischen Wurzeln der Region.

Von Olaf Przybilla, Sonneberg

Eigentlich wollte Martin Truckenbrodt das alles eine Nummer kleiner haben. Truckenbrodt wohnt in einer südthüringischen Gemeinde namens Frankenblick, er stammt ursprünglich aus Franken und findet, dass die fränkischen Wurzeln in Thüringen viel zu wenig gewürdigt werden. Als Vorsitzender des Vereins Henneberg-Itzgrund-Franken, das ist sozusagen die organisierte Franken-Lobby in Thüringen, hat er sich 2015 an die Regierung in Erfurt gewandt.

Unter anderem mit der Bitte, diese möge doch wenigstens die Lehrpläne ändern, auf dass die fränkische Geschichte in Thüringen angemessen gewürdigt werde. Vertröstet, belächelt und ignoriert fühlt sich der Verein, auch der Brandbrief änderte daran wenig. Und so haben die Frankenfreunde nun, nach einjähriger Frist, etwas eingeleitet, womit sie lange nur gedroht hatten. Seit Mittwoch, 9 Uhr, werden in Südthüringen Unterschriften gesammelt: für einen Übertritt nach Bayern.

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Allerdings nicht überall dort, wo der Verein eine untrügliche "fränkische Identität" wahrzunehmen glaubt, in der gesamten Region südlich des Rennsteigs. Sondern lediglich in einem Gebiet, das Truckenbrodt den "Altlandkreis Sonneberg" nennt. Das mag verblüffen, schließlich preist der Verein auf seiner Internetseite die Landkreise Sonneberg, Hildburghausen und Schmalkalden-Meiningen sowie die Stadt Suhl als eindeutig fränkisch geprägt an.

Nun aber sollen lediglich in einer einzigen Region, einem "Altlandkreis" zumal, Unterschriften gesammelt werden? Man habe das alles genau geprüft, sagt Truckenbrodt, dieses Verfahren habe "rein verfassungsmäßig" die größten Chancen auf Erfolg. Findet er.

Das Grundgesetz sieht tatsächlich mehrere Varianten für einen Übertritt einer Region in ein anderes Bundesland vor, die Hürden sind aber in jeder der Varianten hoch. So können Regierungen benachbarter Länder per Staatsvertrag regeln, ob sie ihre Grenzen verschieben wollen. Zustimmen müssten dafür zunächst einmal die Landtage, und das ist schon das Problem: Warum sollten Thüringer Abgeordnete freiwillig die Fläche ihres Landes dezimieren? Sehr unwahrscheinlich.

Viele hatten deshalb bislang damit gerechnet, dass der Verein eine Prozedur nach Artikel 29 Absatz 4 des Grundgesetzes anstrebt. Demnach wäre ein Übertritt auch per Volksbegehren möglich, und zwar dann, wenn sich in einem ersten Schritt zehn Prozent der Wahlberechtigten in einem "abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum" dafür aussprechen. Hört sich machbar an, das Problem ist die Einschränkung, dass diese Region laut Grundgesetz "mindestens eine Million Einwohner" haben muss.

Und damit können selbst großzügigste Frankenfreunde nicht dienen. Wenn man alle Regionen zusammenkratzt, die in Thüringen politisch, sprachlich, kulturell zumindest irgendwie auch fränkisch geprägt sind, kommt man höchstens auf 400 000. Auch Truckenbrodt räumt das ein.

Bleibt eine Regelung, die sich im Grundgesetz unter "sonstige Änderungen des Gebietsbestandes" findet. Hat ein Raum nicht mehr als 50 000 Einwohner, dann kann der Bundestag einen Übertritt beschließen, falls auch der Bundesrat zustimmt.

Der "Altlandkreis Sonneberg" von 1922 hat weniger als 50 000 Einwohner, dort wollen die Vereins-Franken nun mit Unterschriften einen "Antrag auf Volksentscheid" in Gang bringen. In einer Erklärung geben sie sich extrem optimistisch: In und um die Stadt Sonneberg rechne man "mit einer deutlichen Mehrheit für den Wechsel in den Freistaat Bayern".

Die organisierten Franken in Thüringen haben 41 Mitglieder

Das mag man belächeln, schon weil die organisierten Franken in Thüringen derzeit exakt 41 Mitglieder haben. Andererseits ist Sonneberg schon seit Jahren Mitglied der Europäischen Metropolregion Nürnberg und mit der Region Coburg eng verwoben. Und in Sonneberg hat Bürgermeister Heiko Voigt schon vor Truckenbrodts Initiative mehrfach anklingen lassen, dass er nicht grundsätzlich abgeneigt ist, sich dem Land Bayern anzuschließen.

Voigt fordert, dass Sonneberg Kreisstadt bleibt, das ist derzeit nicht sicher. Sollte Sonneberg in einem thüringischen Großlandkreis untergehen, sieht er einen Wechsel in den Kreis Coburg als Variante. Und eines will Voigt betont wissen: "Wir sind keine Träumer und keine Populisten."

Voigt hat gerade Rückenwind, mit seiner Bayern grundsätzlich nicht abgeneigten Linie hat er erst vor wenigen Tagen mit Zweidrittelmehrheit das Rathaus erobert. Eine Gegenkandidatin, die bekundet hatte, mit Bayern nichts am Hut zu haben, kam auf ernüchternde 3,7 Prozent. "Das war mit Sicherheit auch ein Symbol", sagt Truckenbrodt, "wir haben keinen Zweifel, dass wir eine Mehrheit in der Bevölkerung finden." Wenn, dann scheitere man am Gesetz.

Tatsächlich findet sich in Absatz 7 des Artikels 29, in dem auf die 50 000 Einwohner Bezug genommen ist, nur die Möglichkeit, dass ein Bundesgesetz einen Übertritt regelt. Von Volksbefragung ist dort nicht die Rede. Die Frankenfreunde demotiviert das aber offenbar keineswegs: In den ersten zwei Stunden habe man bereits "mehr als hundert" Unterschriften gesammelt.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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