Und die Koalitionsverhandlungen? "Der Andi Scheuer hält mich per SMS am Laufenden", sagt Markus Söder. Gerade erst habe der ihm geschrieben, dass es völlig ausreiche, wenn er am Samstagnachmittag in Berlin auftauche. Bis dahin stand sogar im Raum, dass Söder direkt nach der "Fastnacht in Franken" in die Hauptstadt aufbricht, also mitten in der Nacht die Narren verlässt, um am Morgen rechtzeitig am Tisch der Mächtigen zu sitzen. Was Fantasien anregt, etwa wie Merkel, Schulz und Seehofer wohl geschaut hätten, hätte ihnen dann ein Prinzregent Luitpold gegenüber gesessen.
Als solcher kostümiert und geschminkt, kreuzte der mutmaßlich künftige Ministerpräsident mit Ehefrau Karin nämlich bei der vom BR live übertragenen Prunksitzung des fränkischen Fastnachtverbands in Veitshöchheim auf. Er kam viel früher als sonst und blieb länger. Dem als gemütlich und volksnah beleumundeten Prinzregenten nacheifernd, übte der künftige Bayern-Regent im Monarchen-Gewand den gemütlichen Landesvater, flanierte vor der Show huldvoll lächelnd und grüßend durch Foyer und Saal, nahm sich Zeit für das eine oder andere Pläuschchen und für viele Selfies, schüttelte Hände und fraternisierte allenthalben. Anstatt wie in den vergangenen Jahren nach den Interviews und dem Fotoshooting zügig seinen Sitzplatz anzusteuern.
Der Prinzregent sei ihm sympathisch, gab Söder zwischendurch zu Protokoll, weil der als in Würzburg gebürtiger Franke Bayern von 1886 an umsichtig regiert habe. "Er hat sich nicht in politische Abenteuer gestürzt, sondern um Land und Leute gekümmert und war nahe an den Bürgern." Ein gelassener Monarch, nicht entrückt wie seine Neffen, Popstar-Märchenkönig Ludwig II. und dessen geistig umnachteter Bruder und Nachfolger Otto I. Nur widerwillig und zögernd hatte der echte Luitpold anstelle Ottos die Regentschaft angetreten. Das unterscheidet ihn allerdings eklatant von Markus Söder, zu dessen hervorstechenden Eigenschaften keineswegs Zurückhaltung gehört. Doch die politischen Zeiten ändern sich in Bayern, und wer dafür ein Gefühl entwickeln wollte, konnte bei der "Fastnacht in Franken" wunderbare Feldstudien betreiben. Vor, während und nach der Livesendung.
Verkleidet: Bald-Ministerpräsident Markus Söder lässt sich als Prinzregent feiern.
Ex-Ministerprsäident Günther Beckstein gibt den Kiffer.
SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen versucht sich als Pilotin neben Engel Aloisius.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hat sich wenigstens mal als Ministerpräsident verkleidet, sogar gleich als der erste, Kurt Eisner.
Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im bayerischen Landtag, und seine Lebensgefährtin kommen als Kosaken.
Und Ulrike Scharf (CSU), bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, will scheinbar zur Feuerwehr.
Das fing damit an, dass einige von denen fehlten, die in der Ära von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer zu Posten gekommen sind. Der Alte hatte noch einmal durchgegriffen und die Truppe an seine Seite zu den Koalitionsverhandlungen nach Berlin kommandiert, anstatt sie in Veitshöchheim Fastnacht feiern zu lassen. Leibhaftige Minister grämten sich darüber so sehr, dass der ein oder andere in den Tagen zuvor verzweifelt bei den Machern der Franken-Fastnacht anrief und vorsichtig nachfragte, ob die nicht vielleicht mit dem Noch-Chef reden könnten. Konnten oder wollten sie aber nicht, und so war die Bahn frei für Markus Söder.
Dem war die Seehofer-Anordnung egal, schließlich sind 4,2 Millionen Fernsehzuschauer, darunter halb Bayern, für einen Spitzenkandidaten im Wahljahr ein Spitzenargument. Außer mit Söder war die bayerische Ministerriege nur mit seinem Männerfreund Ludwig Spaenle, mit Ulrike Scharf und Beate Merk vertreten. Vor allem aber war da weit und breit kein Seehofer, der Söder die Schau hätte stehlen können. Zum Dank tippte der Regent in spe diesmal auch nicht ständig auf sein Handy ein, wenn ihn gerade keine Kamera einfing. Und auch die Künstler gingen insgesamt vorsichtig mit ihm um; das früher obligate Söder-Bashing hielt sich in Grenzen.
Dem Noch-Ministerpräsidenten weinte nur "Amanda" eine Träne nach, die Hippo-Puppe von Bauchredner Sebastian Reich, die als enttäuschte Seehofer-Geliebte den Saal rockte. Für den geschmacklichen Tiefpunkt sorgte die Altneihauser Feierwehrkapell'n mit selbst im derben Fasching unangebracht sexistischen Zoten über Brigitte Macron, die französische Première Dame. Ganz abgesehen davon, dass auch die Gags über Oberpfalz versus Franken allmählich in die Jahre kommen.
Im Publikum trieben sich derweil Gestalten herum, die im normalen Bayern Polizeieinsätze auslösen würden. Ein Karl Marx (Kabarettist Oliver Tissot) als Präsident. Ein kiffender Hippie im Che-Guevara-T-Shirt (Günther Beckstein). Für andere würde man hingegen am liebsten Spenden für ein vernünftiges Kostüm sammeln. Etwa für SPD-Chefin Natascha Kohnen, die in ihrer viel zu großen Pilotenuniform förmlich verschwand, während ihr Genosse Markus Rinderspacher sich als Freistaat-Gründer Eisner verkleidet hatte.
Bei der Aftershow-Party stimmten sie alle mit der grünen Drachenmutter Katharina Schulze, mit Ludwig II. Hartmann oder mit dem Kosaken Hubert Aiwanger im gemischten Chor das Rosenmontagslied an, den deutschen Faschings-Gassenhauer. Selbst Prinzregent Markus machte mit. Wobei er Lippen und Körper da dann doch etwas zurückhaltend bewegte.