Serie: Zum 20. Todestag von FJS:Der eine redete, der andere handelte

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Warum Helmut Kohl Bundeskanzler wurde und dieses Amt dem bayerischen Ministerpräsidenten versagt blieb.

Hans Werner Kilz

Beide gaben vor, befreundet zu sein, demonstrierten nach außen eine bisweilen kumpelhafte Vertrautheit. Sie trafen sich zu gemeinsamen Bergtouren, feierten Verbrüderung bei Pfälzer Wein und bayerischen Brotzeiten.

Franz-Josef Strauß (links) mit Altkanzler Helmut Kohl: Es war die verlogenste "Männerfreundschaft", die es in der deutschen Nachkriegspolitik gab. (Foto: Foto: Reuters)

Es war die verlogenste "Männerfreundschaft", die es in der deutschen Nachkriegspolitik gab: Helmut Kohl und Franz Josef Strauß, der Pfälzer und der Bayer, waren Konkurrenten um das mächtigste Amt im Staat, zwei rivalisierende Partner, die zugleich miteinander wie auch gegeneinander agieren mussten. Sie waren sich allenfalls in ihrer Rauflust verbunden. In Wahrheit misstrauten und bekämpften sie sich. Dies einzugestehen, war Strauß immer ehrlicher als Kohl.

In der "Wienerwald"-Zentrale in der Münchner Elsenheimerstraße offenbarte der Bayer im November 1976 dem Vorstand der Jungen Union, wie er in Wahrheit über Helmut Kohl denkt. Pech für Strauß, dass einer im Saal ein Tonband mitlaufen ließ und die Tiraden hinterher im Nachrichtenmagazin Spiegel nachzulesen waren.

"Herr Kohl", brüllte Strauß in die Runde, "den ich trotz meines Wissens um seine Unzulänglichkeit um des Friedens willen als Kanzlerkandidaten unterstützt habe, wird nie Kanzler werden. Er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles dafür."

Das war kurz nach der Bundestagswahl, bei der Kohl für die Union 48,6 Prozentpunkte geholt hatte - ein Ergebnis, das nach ihm kein Kanzlerkandidat je mehr erreichte. Vielleicht hat das Strauß gewurmt. Erst mal in Rage, legte er richtig los gegen den CDU-Vorsitzenden: "Der wird mit 90 Jahren die Memoiren schreiben: "Ich war 40 Jahre Kanzlerkandidat. Lehren und Erfahrungen einer bitteren Epoche."

Es kam anders. Kohl wurde Kanzler und blieb es 16 Jahre lang. Strauß hatte sich, wie so oft, gründlich geirrt. Denn in Wahrheit war der bräsige Pfälzer machtbewusster als der vermeintlich machtlüsterne Strauß, dem es nie gelang, den 15 Jahre jüngeren Kohl auf seinen politischen Konfrontationskurs einzuschwören.

Kohl galt bei den Wählern als vertrauenerweckend, gemäßigt und zuverlässig, alles Eigenschaften, die im direkten Vergleich zu dem polternden, arroganten und angeblich pathologisch machtgeilen Franz Josef Strauß etwas zählten. Kohl war seinem Kontrahenten zwar intellektuell und rhetorisch deutlich unterlegen, aber seine Art zu führen, sein Stehvermögen und seine große taktische und strategische Begabung erwiesen ihn als den politisch Klügeren von beiden.

So hat Franz Josef Strauß, der unbedingt Kanzler werden wollte, entscheidend dazu beigetragen, dass am Ende Helmut Kohl Bundeskanzler wurde - und zwar nicht unter Strauß, wie sich das der Oberbayer immer nur vorstellen wollte, sondern unumschränkt, selbstbewusst und am Ende auch erfolgreich.

Zünftige Wanderungen mit Kohl in den bayerischen Bergen nutzte Strauß zu endlosen Monologen, bei denen er so tat, als müsse er einem Hilfsreferenten die desolate Lage der Bundesrepublik und auch die gesamte Weltlage erklären. Hinterher fertigte Strauß umfängliche Gesprächsprotokolle, von denen sich Kohl so unbeeindruckt zeigte wie sein Schäferhund, dem er einst in Oggersheim sozialdemokratische Besucher mit einem verächtlichen "Igo, ein Soz" ankündigte, weil er sie mit einem furchteinflößenden Bellen empfangen wollte.

In entscheidenden Kraftproben mit Kohl blieb Strauß immer der Unterlegene, ob es nun die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU war, die er kleinlaut zurücknahm, ein Abkommen mit den Polen, das er vergeblich bekämpfte oder der Umgang mit der FDP, der er nie verzieh, dass sie eine Koalition mit der Union nur ohne ihn eingehen wollte.

Kohl wusste, dass er die FDP Anfang der 80er Jahre für einen Machtwechsel brauchte und er hielt es zu jener Zeit schon nicht mehr für nötig, Franz Josef Strauß vorher in den Plan einzuweihen, den SPD-Kanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen.

Kohl setzte alles daran, den ungeliebten Bayern als Außen- oder Finanzminister aus dem Kabinett fernzuhalten. Er brachte sogar das Kunststück fertig, den CSU-Chef als Krediteinfädler für Erich Honecker in die Kontinuität der Deutschlandpolitik einzubinden. Den DDR-Akten konnte Kohl später entnehmen, wie despektierlich Franz Josef Strauß auch in Ost-Berlin über ihn geredet hatte. Weit nach dem Tod von Strauß sagte Kohl später zu Vertrauten im Kanzleramt, es sei "für den gut", dass er ihm nun "diese Sauereien nicht mehr vorhalten" könne.

© SZ vom 02.09.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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